Principia
oder später hineingelockt werden«, sagte Caroline. »Das eine ist die Zusammensetzung des Kontinuums, das heißt, woraus besteht Materie, was ist das Wesen des Raums etc. Das andere ist das Problem der Willensfreiheit: Haben wir eine Wahl in dem, was wir tun? Anders ausgedrückt, haben wir Seelen?«
»Wenigstens insoweit stimme ich Baron von Leibniz zu: Dies sind interessante Fragen, und viele haben so viel Zeit darauf verwendet, über sie nachzudenken, dass der Vergleich mit einem Labyrinth gut gewählt ist.«
Daniel mahnte sie: »Die Prinzessin hat darum ersucht, dass diese Diskussion ein besseres Weltsystem hervorbringt. Gebt zu, dass letztere Frage – Willensfreiheit und der Geist -, was das betrifft, die wichtigere ist. Ich fühle mich wohl mit der Vorstellung, dass wir Maschinen aus Fleisch sind, dass in uns nicht mehr freier Wille steckt als in einer Kuckucksuhr und dass der Geist, die Seele oder wie immer Ihr es nennen wollt, ein Märchen ist. Viele, die die Naturphilosophie studieren, gelangen zu demselben Schluss, es sei denn, ihr beide findet einen Weg, sie umzustimmen. Ihre Königliche Hoheit scheint der Ansicht zuzuneigen, dass solche Überzeugungen, sollten sie das neue System, das ihr Haus gerade errichtet, durchdringen, ihren Albtraum Wirklichkeit werden lassen. Wenn ich also in diesem Dialog der Simplicius sein soll, erklärt mir bitte, wie es kommt, dass es so etwas wie einen freien Willen geben soll, und einen Geist, der tun kann, was er will, ohne an die mathematischen Gesetze unserer mechanistischen Philosophie gebunden zu sein.«
»Nun, wenn Ihr es so formuliert, ist es ein altes Problem«, sagte Leibniz. »Descartes erkannte sofort, dass die mechanistische Philosophie dem freien Willen insofern Ärger bereiten könnte, als sie zu einer neuen Form des Prädestinationismus führte – nicht in der Theologie verwurzelt, wie bei den Calvinisten, sondern aus der einfachen Tatsache erwachsend, dass Materie vorhersagbaren Gesetzen gehorcht.«
»Ja«, erwiderte Daniel, »und dann hat er sich geirrt und die Seele in die Zirbeldrüse gesteckt.«
»Ich würde sagen, er hat sich schon vorher geirrt, als er das Universum in Materie und Cogitatio einteilte«, sagte Leibniz.
»Und ich würde sagen, er hat sich sogar noch davor geirrt, als er annahm, dass es ein Problem gäbe«, erklärte Newton. »Es ist nichts Falsches daran, zu erkennen, dass ein Teil des Universums ein passiver Mechanismus und ein Teil aktiv und denkend ist. Monsieur Descartes hatte jedoch angesichts dessen, was Galileo von den Papisten angetan worden war, solche Angst vor der Inquisition, dass ihm die Entschlossenheit fehlte.«
»Nun gut, jedenfalls sind wir uns einig, dass Descartes ein Problem erkannte und die falsche Lösung präsentierte«, sagte Daniel. »Hat einer von euch eine bessere anzubieten? Sir Isaac, Ihr klingt, als leugnetet Ihr sogar die Existenz eines solchen Problems.«
»Ihr könnt die Principia Mathematica lesen, ohne auf eine einzige Abhandlung über Seele, Geist, Cogitatio und dergleichen zu stoßen. Die Rätsel, die Monsieur Descartes so verwirrt haben, spreche ich nicht an und gebe erst recht nicht vor, sie zu lösen. Warum sollten wir versuchen, Hypothesen über solche Dinge zu formulieren?«
»Weil, wenn Ihr es nicht tut, Sir Isaac, andere, weniger brillante Köpfe es tun werden; und sie werden die falschen formulieren«, antwortete Caroline.
Newton wand sich. »Mein Werk zu Schwerkraft und Optik hat mir einen gewissen Ruhm eingebracht, etwas, was ich nie angestrebt noch mir gewünscht habe. Daraus ist mir nichts Gutes erwachsen und viel Schlechtes – so wie jetzt, wo von mir erwartet wird, dass ich Tiefgründiges über Themen äußere, die weit von dem entfernt liegen, was zu studieren ich einmal beschlossen habe.«
»So spricht der öffentliche Sir Isaac Newton«, sagte Daniel, »Autor der Principia Mathematica und Leiter der Münze. Dies ist aber eine private Zusammenkunft, die von der Teilnahme des privaten Sir Isaac, des Autors der Praxis , profitieren könnte.«
»Die Praxis ist noch nicht veröffentlicht«, bemerkte Isaac, »und zwar nicht, weil ich sie irgendwie für privat erachte, sondern weil sie noch nicht fertig und somit kein geeigneter Gesprächsgegenstand ist.«
»Was ist die Praxis ?«, wollte Caroline wissen.
»Was die Principia Mathematica für die mechanistische Philosophie war, wird die Praxis für die Alchimie sein«, erklärte Isaac.
»Eine lakonische Antwort! Dürfen wir
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