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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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hinsetzt, um einen Essay, sagen wir, über den von ihm und dem verstorbenen John Locke vertretenen Latitudinarismus zu schreiben, können wir seinen Federkiel auf den kompliziertesten Pfaden geschickt über die ganze Seite huschen sehen. Von den Kegelschnitten der Principia fehlt hier jede Spur! Keine Gleichung kann den Weg von Daniels Schreibfeder über das Blatt vorhersagen, denn er ist das Ergebnis unzähliger und unerforschlicher winziger Kontraktionen der kleinen Muskeln in seinen Fingern und seiner Hand. Wenn wir die Hand eines Menschen aufschneiden, stellen wir fest, dass diese Muskeln von Nerven gesteuert werden, die problemlos zum Gehirn zurückverfolgt werden können, so wie Flüsse von Quellen in den Bergen kommen. Entfernt das Gehirn oder zerschneidet seine Verbindungen zur Hand und sehet, dieses Glied wird so einfach wie jener Globus dort; das heißt, wir können seine künftigen Bewegungen aufgrund der Principia vorhersagen und in Kegeln aufzeichnen. So ist also bewiesen, dass zur Schwerkraft – die auf alles wirkt – noch weitere Kräfte hinzukommen, die nur bei Lebewesen 7 zu beobachten sind und unendlich mehr komplizierte und interessante Bewegungen hervorbringen.«
    »Soweit bin ich mit Euch einig«, meinte Newton, »wenn Ihr lediglich sagt, dass andere Kräfte als die Schwerkraft auf Dr. Waterhouses Federkiel einwirken, wenn er etwas schreibt, und dass solche Kräfte Steine und Kometen nicht anzuregen scheinen.«
    »Hooke war fasziniert von Muskeln«, warf Daniel ein. »Er schaute sie sich unter seinem Mikroskop an und arbeitete hart daran, künstliche herzustellen, um fliegen zu können. Diese hätten ganz gewiss mithilfe der mechanistischen Philosophie beschrieben werden können; letztlich waren sie ja nichts anderes als praktische Anwendungen der Verdünnungsmaschine und unterlagen somit dem Boyle’schen Gesetz. Mit mehr Zeit und besseren Mikroskopen hätte Hooke in Muskeln winzige, ebenfalls durch mathematische Gesetze zu beschreibende Mechanismen gefunden und damit sämtliche vermeintlichen Rätsel gelöst -«
    Er hielt inne, weil Newton und Leibniz beide die fuchtelnde Handbewegung machten, mit der man sonst einen Furz vertreibt. »Ihr begreift das Wesentliche nicht!«, sagte Leibniz. »Die Physik der Muskeln interessiert mich nicht! Stellt Euch vor, Sir, Hooke hätte seine auf deterministische Weise von Verdünnungsmaschinen angetriebene Flugmaschine gebaut, was hätte er dann noch zu diesem Apparat hinzufügen müssen, um ihn auf einen sicheren Aussichtspunkt oben auf der Kuppel von Bedlam flattern, dort, als wäre er von Windböen umtost, balancieren und wieder losfliegen zu lassen, ohne dass er sich überschlägt und wie eine abgeschossene Jungtaube zu Boden stürzt? Ich versuche, unsere Aufmerksamkeit auf die Frage zu lenken, was es ist, was da an den Nerven entlang vom Gehirn herunterkommt: die Entscheidungen oder besser die materiellen Manifestationen davon – sozusagen die Buchstaben, in denen sie geschrieben und zu den Muskeln geleitet werden, damit sie formen, was sonst formlos und leer wäre.«
    »Das verstehe ich«, sagte Daniel, »und ich sage, das sind alles Kolben und Zylinder, Gewichte und Federn, bis oben hin. Und es ist alles, was ich brauche, um zu erklären, wie ich der Tinte auf einem Blatt und ein Vogel mit seinen Flügeln der Luft Form gibt.«
    »Und ich stimme Euch zu!«, sagte Leibniz.
    Das erzeugte einen Moment der Sprachlosigkeit. »Habe ich Euch denn so leicht zur Lehre des Materialismus bekehrt?«, wollte Daniel wissen.
    »Keineswegs«, antwortete Leibniz. »Ich sage nur, dass die Maschine des Körpers zwar deterministischen Gesetzen gehorcht, dies aber wegen der prästabilierten Harmonie in Übereinstimmung mit den Wünschen und Weisungen der Seele tut.«
    »Hiervon müssen wir unbedingt mehr hören, denn es ist sehr schwer zu verstehen«, sagte die Prinzessin.
    »Hauptsächlich, weil es falsch ist!«, sagte Sir Isaac.
    Jetzt musste Caroline buchstäblich zwischen die beiden Philosophen treten. »Dann sind wir uns alle einig, dass Baron von Leibniz um weitere Ausführungen über die prästabilierte Harmonie gebeten wird«, sagte sie. »Doch zuvor würde ich gerne hören, was Sir Isaac zu den Phänomenen zu sagen hat, über die die Doktoren Waterhouse und Leibniz sich soeben unterhalten haben. Sir Isaac, wir haben von beiden Herren gehört, dass sie vollkommen zufrieden damit sind, dass alles bis an die Spitze reiner Mechanismus ist. Wie seht Ihr das? Verlangt

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