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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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vorbeizulassen. Van Hoek hinter sich zu wissen, erfüllte sie mit Argwohn, und so gingen sie nach ein paar unangenehmen Sekunden des Fintierens und des Bitte-nach-Euch auf gleicher Höhe und außerhalb der Reichweite des jeweiligen Dolcharms los.
    »Wo ist sie?«, fragte Charles White.
    »Weniger als hundert Schritte von hier entfernt«, gab Dappa zurück.
    Der Boden unter ihren Füßen stieg an. Sie hatten den Fuß einer kleinen, aber steilen Anhöhe auf dem Tower Hill erreicht, traditioneller Aussichtspunkt von Londonern, die begierig darauf waren, Lords hängen zu sehen. Statt aber diese Anhöhe hinaufzusteigen, bog Dappa nach rechts ab und ging an ihrem Fuß entlang, frischen Wagenspuren folgend, die den Boden zerfurchten.
    Er führte sie zu einem Geschütz, das auf eine zweirädrige Lafette montiert war, und drehte sich um, sodass die Anhöhe hinter ihm lag. Im Licht der Dämmerung war es nicht so einfach, den Überblick über die Himmelsrichtungen zu behalten, aber wie es schien, zielte das Geschütz grob auf das Flussufer. Auf dem Boden daneben befanden sich ein Pulverfass, fünf zu einer Pyramide aufgestapelte Kugeln und die entsprechenden Werkzeuge, nämlich Ladeschaufel, Ladestock etc.
    Ehe White das richtig begreifen konnte, hatte Dappa auf dem Absatz kehrtgemacht und fing an, im Stechschritt auf die Themse zuzugehen und dabei seine Schritte zu zählen: »Eins, zwei, drei …«
    Sie näherten sich einer anderen Erhebung, diesmal einem Teil des Erdwalls, der das Bollwerk umgab. Da der Himmel heller geworden war und der Nebel sich gelichtet hatte, konnten sie sehen, dass Dappa sie auf ein weiteres Feldgeschütz zuführte, das auf dieselbe Weise wie das erste aufgestellt und auf dieses gerichtet war; Letzteres ragte auf halbem Weg zum Tower Hill auf seiner Lafette drohend über ihnen auf.
    Die hundert Schritte hatten White Zeit gegeben, sich an den Gedanken zu gewöhnen – ja sogar eine gewisse Komik darin zu sehen. »Woher habt Ihr diese Kanonen?«, wollte er wissen.
    »Das ist eine einigermaßen unterhaltsame Geschichte«, antwortete Dappa, »aber falls Ihr gleich sterbt, hat es wenig Sinn, sie Euch noch zu erzählen. Und falls ich sterbe, möchte ich Euch unter anderem damit ärgern, dass ich Euch im Ungewissen lasse. Streng genommen heißen sie übrigens Haubitzen«, sagte Dappa. »Nicht Kanonen. Eine Kanone hat ein längeres Rohr und ist viel schwerer; sie verschießt mit hoher Geschwindigkeit schwere Kugeln, um Mauern einzureißen. Eine Haubitze ist wie ein horizontaler Mörser: Sie verwendet kleinere Pulverladungen. Ich fand, dass sie für ein Duell die geeignetere Waffe ist. Kanonenschüsse würden, falls wir danebenzielten, bis in die Stadt reichen. Haubitzenkugeln dagegen sind leichter und fallen in weniger großer Entfernung zu Boden.«
    »Wie können sie leichter sein, wenn sie aus demselben Material gemacht sind?«, fragte Woodruff, der anscheinend seine Naturphilosophie studiert hatte.
    »Sie sind hohl, seht Ihr«, erklärte Dappa, während er eine von ihnen hochhob, ohne sich besonders anzustrengen, obwohl sie ein Kaliber von gut sechs Zoll hatte. Er drehte sie zwischen den Händen, um eine gebohrte Öffnung und eine Art sehr grobmaschiges Netz aus grauen Schnüren zu zeigen, die wie Meridiane über eine Hälfte ihrer Oberfläche ausstrahlten. »Hohl, damit sie mit Pulver vollgepackt werden können. Andernfalls würden wir den ganzen Tag hier mit dem Versuch verbringen, uns gegenseitig mit einem Glückstreffer zu erwischen. Diese Granaten platzen und töten alles innerhalb einiger Ellen.«
    »Verstehe. Das ist recht praktisch«, sagte Woodruff, obwohl ihn die möglichen Folgen für ihn selbst etwas zu beunruhigen schienen. Van Hoek betrachtete ihn amüsiert.
    »Bitte nehmt Euch so viel Zeit, wie Ihr wollt, um diese Bomben, die Haubitzen und alles andere, was Euch beliebt, zu untersuchen; ich versichere Euch, dass sie vollkommen identisch sind.«
    »Nicht nötig«, sagte White, »und wenig Zeit. Die vorteilhafte Position ist ganz offensichtlich die da oben.« Er deutete mit dem Kopf auf die erste Haubitze. »Aus diesem Grund würdet Ihr erwarten, dass ich mich für sie entscheide, und wenn eine der Haubitzen fehlerhaft wäre, hättet Ihr sie dort platziert. Und deshalb wähle ich diese hier; Ihr könnt die höhere Position haben.«
    »Nun gut«, sagte Dappa, »sollen wir uns dann in die Mitte der Distanz begeben?«
    Rücken an Rücken standen sie auf dem Feld, jeder mit dem Blick in die

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