Principia
heraufgeschickt hatten.
An diesem Abend wurde dieses Trankopfer jedoch jäh unterbrochen durch das Läuten einer Handglocke, unten in dem überwölbten Durchgang, der wie ein Tunnel unter seinem Kastell hindurchführte und an der vergitterten Lüftungsöffnung des Verurteiltenlochs vorbeiführte. Jack war nicht der Einzige, der morgen in Tyburn sterben sollte. Noch sechs andere gingen mit ihm dorthin, alle Übeltäter von der Common-Side, denen die Mittel, oder die geheimnisvollen Freunde, fehlten, um sich die Verlegung aus besagtem Loch heraus zu erkaufen. Dieser nächtliche Ausrufer ging vor einem gefangenen Publikum dort unten seinem Gewerbe nach, indem er üble Verszeilen durch das Gitter spie:
All jene, die im Verurteiltenloch verderben,
Macht euch bereit, müsst ihr doch morgen sterben.
Denkt nach über eure Sünden, bereut in der Zeit,
Sonst seid ihr mit Haut und Haaren dem Satan geweiht.
Habt Acht und betet, und ihr werdet ohne zu weinen,
Schon bald vor dem Richterstuhl droben erscheinen.
Und läutet morgen St. Sepulchers Glocke allein,
Möge der Herr euren Seelen gnädig sein.
Nachdem er dort seines Amtes gewaltet hatte, zog der Ausrufer sich aus dem Gestank des Gewölbes zurück. Unter dem Fallgatter hindurch trat er auf die Holborn. Er stellte sich mitten auf die Straße, direkt unter Jack Shaftoes Dreifachfenster, wie ein Bauernbursche, der sich anschickt, seinem Feinsliebchen eine Serenade darzubringen. Was normalerweise im Dunkeln (die Sonne war schon vor einer ganzen Weile untergegangen) und unter großer Gefährdung (Männer, die mitten auf einer breiten, durch ein Tor der City of London führenden Straße standen, hatten in der Regel keine große Überlebenschance) stattfand. Der Weg des Ausrufers war jedoch gut beleuchtet, denn eine Ansammlung von Londonern mit Fackeln drängte sich auf der ganzen Breite der Straße und bildete eine Sperre aus Flammen, die alle Pferde, deren Kutscher so töricht waren, sie hierherzulenken, blenden und in Panik versetzen würde. Für diesen Abend war Newgate geschlossen. Der Ausrufer stand in einem feurigen Halbkreis und blinzelte erstaunt, da er normalerweise seine Pflichten allein und ohne besondere Ankündigung erfüllte.
Seit seiner Verurteilung hatte Jack den Einsiedler gegeben. Scheinbar angezogen durch das Gerücht, Jack Shaftoe würde aus dem Bett aufstehen und sich wie ein König, der im St. James’s Luft schnappte, winkend an sein Fenster stellen, hatten sich in den ersten Tagen immer wieder Menschenmengen auf der Holborn eingefunden. Sie waren alle, völlig enttäuscht, von Konstablern auseinandergetrieben worden. Heute Nacht war jedoch eine besondere Gelegenheit, denn wie oft in seinem Leben würde Jack halb erhängt, ausgeweidet und gevierteilt werden? Für ein oder zwei Minuten war Jack damit beschäftigt, Wachskerzen anzuzünden. Leuchtquellen waren nämlich ein weiteres Luxusgut, an dem in Newgate bekanntermaßen großer Mangel herrschte, und die Speichellecker, denen es an »Gelben Jungs« (das heißt Guineen) fehlte, um Jack Portweinflaschen zu kaufen, kratzten mitunter wenigstens ein paar Thrums (das heißt drei Pennys) zusammen, um ihm eine Wachskerze zu spendieren, damit er später besser in seinen Nachttopf zielen konnte. Davon hatte er bisher nur wenige abgebrannt, aber jetzt bestand eigentlich kein Grund mehr, sie zu horten, und so machte er die Runde und zündete sie alle an. Der Raum füllte sich auf der Stelle mit sanft strahlendem Rauch und dem Geruch von ranzigem Talg, der ihn unversehens in seine Kindheit auf der Isle of Dogs zurückversetzte. In einem seiner Fenster befand sich eine kleine, mit Eisen eingefasste Klappe, die man aufmachen konnte, um Luft hereinzulassen. Das tat er jetzt, um den Rauch abziehen zu lassen, und prompt erspähten ihn die Leute unten auf der Holborn, die sich einbildeten, Jack Shaftoe hätte in dieser seiner letzten Nacht nichts Besseres zu tun, als mit ihnen zu scherzen. Diese verfluchte Glocke fing an zu läuten, was die erregte Menge zum Verstummen brachte, und der Ausrufer brüllte seinen Vers heraus.
Jack war bereit für ihn. Er drückte das Gesicht an das offene Gitter und brüllte zurück:
Du Schreihals, der du mit deiner Glocke mir
Den Weg zur Hölle hinab läutest allhier,
Morgen Abend, um halb acht, du armer Tropf,
Spuck ich dir vom Himmel aus auf den Kopf.
Falls das Leben nach dem Tod, wie die Prediger sagen,
Süß riecht, schön klingt, entbehrt jeglicher Klagen,
Und, alles in
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