Principia
er danach wochenlang nur flach geatmet hatte. Dann hatte er sich einen Katarrh geholt, der eigentlich harmlos gewesen wäre, aber wegen der Schmerzen im Brustkorb hatte er nicht richtig husten können, um seine Lunge freizumachen. Dieser Katarrh hatte sich festgesetzt und sich schließlich zu einer Lungenentzündung ausgewachsen.
Das Vorkommnis gestern war vermutlich ein Schlag gewesen, aber nicht so schlimm, wie er hätte sein können; Catherine zufolge hatte Isaac schon einmal eine Weile unter einer Schwächung seiner rechten Seite gelitten, schien aber seitdem etwas von seiner Kraft wiedergewonnen zu haben. Das machte ihr weniger Kummer als sein rasch steigendes Fieber.
»Fieber?!«, entfuhr es Daniel, der darauf bestand, zu dem Patienten hineingelassen zu werden. Isaac hatte die strikte Order erteilt, sämtlichen Ärzten den Zutritt zu seiner Kammer zu verwehren, und die hatte Catherine befolgt; aber Daniel Waterhouse war kein Arzt.
Isaac lag, Arme und Beine gespreizt und mit einem leichten Nachtgewand bekleidet, in einem Himmelbett. Das Bettzeug hatte er auf den Boden gestrampelt, und er oder jemand anders hatte das Fenster aufgemacht, um kalte Luft hereinzulassen. Daniel musste die Hände in die Taschen stecken, um sie vor der Kälte zu schützen. »Isaac?«, sagte er.
Der Kopf des Patienten bewegte sich leicht, womit auch sein wallendes weißes Haar sich verlagerte, und unter seinen halbgeschlossenen Lidern klärte sich sein Blick. Aber er schaute nicht in Daniels Richtung. Daniel trat an sein Bett. Isaacs Atmung ging schnell und flach. Daniel bückte sich, und als er ein Ohr an Isaacs Brustkorb drückte, schreckte er zurück, weil dessen Körper so heiß war – wie ein Brotlaib, der frisch aus dem Ofen kam. In seinen Lungenspitzen klang es, als würde Schinken gebraten. Sein Herz schlug schwach, aber schnell, wenn auch mit beunruhigenden Stolperern und Aussetzern.
Bei dieser Untersuchung bemerkte Daniel in den Bereichen von Isaacs Brust, die nicht von dem Nachthemd bedeckt waren, einen Ausschlag. Er setzte sich auf die Bettkante und knöpfte das Gewand auf. Während er das tat, regten sich erst Isaacs Augen, dann sein Kopf ein wenig; die Bewegung war ihm aufgefallen. Er sah, wie Daniels Hände sich, Knopf für Knopf, über sein sich hebendes und senkendes Brustbein abwärts arbeiteten, und als Daniel das Nachthemd auseinander zog, verfolgte Isaac mit den Augen seine rechte Hand. Das war Daniel vertraut: die Neugier des Naturphilosophen.
Der Ausschlag bedeckte Isaacs ganzen Rumpf. Am auffälligsten um die linke Achselhöhle herum.
»Wann warst du zum letzten Mal im Newgate-Gefängnis?«, fragte Daniel. Er hatte den Eindruck, dass Isaac in eine lichte Phase trat.
»Ah!«, sagte Isaac und musste dann eine Minute lang mit Auswurf husten, um die Luftröhre freizumachen. »Dann sind wir uns also bei der Diagnose Kerkerfieber einig. Das ist tröstlich. Wo wir uns doch sonst bei kaum etwas einig sind.« Lange Pausen trennten diese Sätze voneinander.
»Wann warst du zum letzten Mal …«, wiederholte Daniel geduldig.
Isaac unterbrach ihn mit der Antwort: »Vor einer Woche. Ich war dort und habe im Verurteiltenloch mit Jack gesprochen.«
»Normalerweise ist die Inkubationszeit bei Kerkerfieber -«
»Länger, ein bisschen. Ja. Ich weiß. Aber ich bin alt. Und durch andere Krankheiten geschwächt. Du ermüdest mich. Ich habe wenig Zeit. Ich stelle hiermit fest, dass ich Kerkerfieber habe. Mein Zustand wird schlimmer werden, bevor er sich wieder bessert. Wenn er sich überhaupt bessert. Jetzt wird mir kalt. Bitte knöpf mich wieder zu. Meine rechte Hand hat etwas von ihrer Geschicklichkeit eingebüßt.«
Eine solche Bitte konnte Daniel schwerlich abschlagen, und so fing er an, das Hemd wieder zuzuknöpfen – obwohl er genau wusste, dass das eine Finte von Isaac war, um Daniels Hände noch einmal in sein Blickfeld zu bringen, damit er den Ring betrachten konnte. Daniel ignorierte das und schloss die Knöpfe so schnell er konnte, während er sich über seine eigene Dummheit ärgerte, weil er das Ding nicht in die Tasche gesteckt hatte, bevor er die Kammer betrat.
»Er sieht schwer aus«, bemerkte Isaac. »Du weißt, wovon ich spreche. Wiegt er schwer an deinem Finger?«
»Manchmal.«
»Wer hat ihn dir geschenkt? Eine Frau bestimmt nicht.«
Daniel war mit den Knöpfen fertig und steckte die Hände wieder in die Taschen.
»Ich würde dir auch gerne etwas schenken«, sagte Isaac. Sein Blick hatte den Tand
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