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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Ungeheuerlichkeit verantwortlich sind.«
    »Das heißt, die Durchsuchung des Schiffes?«
    »Ja. Diese Messenger erwarten, wie Ihr vielleicht bemerkt habt, Befehle von ihnen. Sie haben sich mit Winksprüchen verständigt. Ich glaube, einer von ihnen ist Sir Isaac Newton.«
    Das war vollkommen vorhersehbar, und dennoch genügte es, um Daniel sich umdrehen und dem Wind trotzen zu lassen. Innerhalb kurzer Zeit hatte er die Gruppe, die Dappa beschrieben hatte, entdeckt. »Wo ist er?«, fragte Daniel.
    »In der Mitte, schaut seinerseits mit einem Fernglas zu uns herüber.«
    »O verdammt, wahrscheinlich hat er mich erkannt!«, entfuhr es Daniel. Eigentlich hätte er sich gleich wieder umdrehen sollen. Aber wie eine Feldmaus, die vom Blick eines Raubvogels gefangen ist, war er auf seltsame Weise unfähig, sich zu bewegen.
    »Alles in Ordnung, er lässt das Fernglas sinken – nein, stimmt gar nicht, er hat das verdammte Ding fallen lassen!«
    »Isaac hat es fallen lassen?« Daniel konnte sich nicht vorstellen, dass Isaac Newton ein Teleskop fallen ließ.
    »Er hat die Augen aufgerissen. Schaut in unsere Richtung. Ich werde aus seinem Gesicht nicht so richtig schlau …, bei seiner Haltung kommen einem so unedle Wendungen in den Sinn wie von den Socken, aus den Pantinen gekippt. Vom Schlag getroffen. Ach! Ach! Ach mein Gott!«
    »Was? Was ist los?«, fragte Daniel und bezwang den Impuls, sich das Fernrohr zu schnappen. Denn mit bloßem Auge konnte er nur sehen, dass die Menschenmenge oben auf dem Tower aufgeregt in ihre Mitte drängte, wo Isaac stand – beziehungsweise einen Moment zuvor noch gestanden hatte.
    »Er ist umgefallen! Einfach so. Ein Glück, dass der Kerl rechts von ihm ihn aufgefangen hat.«
    »Ihn aufgefangen ?!«
    »Er ist einfach umgekippt«, sagte Dappa, »hat das Fernrohr fallen lassen und wäre beinahe selbst hingefallen. Schaut, jemand rennt los, um Hilfe zu holen..., sie rufen den Soldaten unterhalb von ihnen etwas zu, schwenken ihre Hüte … Herrje, die sind alle ganz schön aufgeregt!« Am Ende ließ Dappa das Fernrohr sinken und schaute Daniel an. Seine Stirn legte sich oberhalb des Nasenrückens in Falten, als er schließlich begriff, was er da gerade gesehen hatte. Dann ging es auch Daniel auf, und er musste sich mit der Hand an der Reling festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    »Tot ist er nicht, sonst wären sie nicht so hektisch«, folgerte Dappa. »Sir Isaac Newton hat der Schlag getroffen. Das würde ich sagen.«
    »Vielleicht ist er auch nur ohnmächtig geworden. In letzter Zeit hat er gekränkelt.«
    »Ein Schlag passt besser zu dem, was ich gesehen habe. Er hat ihn rechts erwischt – deswegen hat er das Fernrohr fallen lassen, deswegen ist auch sein rechtes Bein eingeknickt. Ob nun Ohnmacht oder Schlag, der Auslöser war, glaube ich -« Doch hier biss er sich auf die Zunge und zuckte zusammen.
    »Dass er mein Gesicht erkannte, nachdem ich mich umgedreht hatte«, sagte Daniel, »und dadurch all seine dunkelsten und merkwürdigsten Befürchtungen bestätigt sah. Befürchtungen, die ihn gequält haben, seit ich nach London zurückgekehrt bin und in die unheimliche Saga von dem Salomonischen Gold verwickelt wurde. Scheiße, ich habe meinen Freund umgebracht.«
    »Er ist weder tot noch Euer Freund«, berichtigte ihn Dappa.
    »Wärt Ihr so gut, mir eine Wasserdroschke zu rufen«, sagte Daniel, »ich muss auf dem schnellsten Weg zum Haus seiner Nichte – wohin sie ihn vermutlich gebracht haben – und ihn vor den Ärzten schützen.«

Tempel des Vulkan
    MITTWOCH, 27. OKTOBER 1714
    Am Dienstagabend kam, was nur selten passierte, Daniels optimistische Seite zum Vorschein und überzeugte ihn davon, dass Isaacs Zusammenbruch weder Ohnmacht noch Schlag gewesen war, sondern nur eine dieser wahnsinnigen Panikattacken, die ihn von Zeit zu Zeit überkamen und dann abflauten. Daniel war sich dessen so sicher, dass er an diesem Abend zu Isaacs Haus in St. Martin ging, wo er Isaac vermutete. Doch da war er nicht. Er befand sich in Catherine Bartons Obhut im Haus des verstorbenen Roger Comstock.
    Dorthin begab Daniel sich dann am Mittwoch und fand Miss Barton in Sorge vor. Im Rückblick war es für ihn wie ein Wunder, dass Isaac nicht schon vor langer Zeit gestorben war. Seine Beschwerden hatten im August begonnen, als Leibniz ihn und Daniel über eine Mauer gestoßen hatte. Das hatte sie zwar davor bewahrt, von einem Phosphorfeuer geröstet zu werden, jedoch Isaacs Rippen so verletzt, dass

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