Principia
Pranke herabfahren ließ.
Vor dem weißen Himmel zeichnete sich ein großes, schwammartiges Stück Pudelinnereien ab. Es schleuderte eine Spirale aus Blutströpfchen von sich, während es sich um sich selbst drehte. Einen Moment lang schien es reglos in der Luft zu schweben, was Daniel auf den Gedanken brachte, es ziele geradewegs auf ihn; doch dann fiel es und klatschte mit augenfälligem Schwung gegen das Mieder des taubenblauen Seidenkleides, das derzeit von einer der Begleiterinnen des Gentleman getragen wurde. Von dort fiel es ihr in den Schoß und blieb zwischen ihren Oberschenkeln an ihrem Kleid haften. Daniel bestimmte es als Lungenflügel. Die Dame war immerhin so vernünftig, zuerst aufzustehen und dann zu schreien.
Von der Detonation des Feuerwerkskörpers bis zu der fast ebenso explosiven Ovation, welche die Parkettbesucher der Dame in Anerkennung ihrer Rolle darbrachten, hatte diese Darbietung vielleicht fünf Sekunden in Anspruch genommen.
Nun musste die eine Dame von der anderen beiseitegenommen und getröstet werden. Da ihre Kutsche nicht mehr da war, musste das auf der Tribüne, vor aller Augen, geschehen. Das bildete eine Art Nebenvorstellung zum lange erwarteten Hauptereignis: Die großen Hunde wurden in die Arena gelassen. Zuerst König Looie und König Philip. Sie gingen geradewegs auf den Bären los, bis dieser sie bemerkte und sich auf die Hinterbeine stellte; dann kamen ihnen Zweifel, und sie beschlossen festzustellen, was sich mit ungeheuer viel Gebell erreichen ließ. Daraufhin wurden Marshall Villars und König James der Dritte losgelassen, und ziemlich bald sah das Ganze nach einem Kampf aus.
Die Parkettbesucher hatten sich inzwischen in eine Raserei hineingesteigert, die derjenigen der Tiere kaum nachstand. Das ging so weit, dass sie es mehrere Sekunden lang gar nicht bemerkten, als die Hunde und der Bär zu kämpfen aufhörten und einander zu ignorieren begannen. Ihre Schnauzen schnoberten im Dreck.
Die Hunde wedelten mit dem Schwanz.
Die Zuschauer hörten fast gleichzeitig zu brüllen auf.
Irgendwoher in der Nähe von Daniel flogen Stücke aus rotem Zeug in die Arena und klatschten wie feuchte Lappen auf den Boden.
Aller Augen bemerkten dies und verfolgten die Flugbahnen zu dem Nonkonformisten zurück. Dieser war aufgestanden und hatte den Korb neben sich auf die Bank gestellt. Jetzt erst bemerkte Daniel, dass der Korb blutdurchtränkt war. Der Mann nahm große Brocken rohen Fleisches aus ihm heraus und schleuderte sie in die Arena.
»Wie diese armen Tiere, so kämpft ihr Männer, damit dieser Wicht – Mr. Charles White – unterhalten, und schuftet, damit er reich wird – nur weil ihr, wie diese Tiere, hungrig seid! Hungrig nach Erquickung für Leib und Geist! Doch weltlicher wie geistlicher Wohlstand ist für euch zu haben! Er fällt vom Himmel wie Manna! Wenn ihr euch ihm nur öffnet!«
Bis zu diesem Punkt war die Darbietung des Fleischwerfers in gewisser Weise unterhaltsam gewesen, und besonders hatte den Zuschauern gefallen, dass er einen Gentleman ins Gesicht hinein einen Wicht genannt hatte. Doch zum Ende hin hatte das Ganze die Form einer Predigt angenommen, worauf die Zuschauer überhaupt keine Lust verspürten. Sie begannen alle durcheinanderzumurmeln, wie im Parlament. Zum ersten Mal stellte Daniel in Frage, ob er heute an einem Stück aus Rotherhithe herauskommen würde.
Mr. Charles White – der sich vielleicht dieselbe Frage stellte – kam quer über die Tribüne geschlendert und wechselte dabei angelegentliche Blicke mit mehreren der Burschen, die den Betrieb führten. Daraus und aus den Worten des Fleischwerfers schloss Daniel, dass White der Besitzer oder zumindest der Financier war.
»Ausgezeichneter Vorschlag, alter Junge! Ich glaube, ich nehme ein Stück davon, vielen Mampf.« Whites letztes Wort wurde vom linken Ohr des Nonkonformisten erstickt.
Nun war die Entfernung besagten Ohrs eine getreue Neuinszenierung eines ähnlichen Unterfangens, das Daniel ungefähr zwanzig Jahre zuvor in einem Kaffeehaus miterlebt hatte. Die Hand, die den Kopf des Opfers packte und ihn hierhin und dahin drehte, damit das Ohr abriss, trug noch immer ein hässliches Stigma von Roger Comstocks Dolch. Daniel verspürte kein Verlangen, dergleichen noch einmal zu sehen. Doch die Parterrebesucher waren fasziniert. Es war dies, mit anderen Worten, vonseiten Whites eine kluge Maßnahme zur Kontrolle der Masse, insofern er den Zuschauern etwas für ihr Geld bot; wahrscheinlich das
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