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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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sich damit, die Hunde noch wütender zu machen, als sie schon waren, indem sie Steine nach ihnen warfen, sie mit Stöcken pieksten oder ihre Namen bellten. Einer hieß King Looie, einer König Philip, ein anderer Marschall Villars und wieder ein anderer König James der Dritte.
    Ein Nachzügler kam und entschied sich für einen Platz am Ende einer Bank, drei Reihen unterhalb von Daniel. Es handelte sich um einen weiteren Nonkonformisten, ganz in Schwarz gekleidet, mit einem breitkrempigen Hut. Er hatte einen Korb dabei, den er auf der Bank vor ihm zwischen seinen Füßen absetzte.
    Eine narbige Hand auf den Knauf seines Floretts gelegt, stand der Gentleman, der mit der Kutsche gekommen war, auf und starrte den Neuankömmling an. Daniel kam das Profil des Gentleman ärgerlich vertraut vor, aber er konnte ihn nicht unterbringen. Wer auch immer es war, er hatte erkennbar große Lust, den Nonkonformisten hinauszuwerfen, der hier ebenso fehl am Platze war, wie er es im Vatikan gewesen wäre. Das Einzige, was ihn – buchstäblich – davon abhielt, waren seine Begleiterinnen. Die zu beiden Seiten von ihm sitzenden Damen wechselten hinter seinen Rockschößen einen angelegentlichen Blick, griffen dann, als wären sie Spiegelbilder voneinander, in vollendeter Synchronizität nach oben und legten dem Gentleman eine behandschuhte Hand auf den Unterarm. Dieser nahm das keineswegs freundlich auf, sondern riss sich mit solcher Heftigkeit los, dass Daniel zusammenzuckte, denn er befürchtete, der Mann würde den Damen den Ellbogen ins Gesicht stoßen.
    Die sich anbahnende Verwicklung wurde durch die Ankündigung unterbrochen, dass »der Herzog von Marlborough« eingetroffen sei. Alle bis auf den Gentleman, Daniel und den Nonkonformisten jubelten. Zwanzig Parkettbesucher wurden vor einem grell bemalten Karren aus dem Weg gescheucht, einem Kasten auf Rädern, der mit gewollter Langsamkeit, welche die Spannung steigern und die Wetteinsätze in die Höhe treiben sollte, rückwärts in die Arena gefahren wurde.
    Der Gentleman führte, bevor er sich niedersetzte, die Hände an den Hintern, um seine Rockschöße glattzustreichen. Er warf einen Blick hinter die Tribüne und machte ein etwas überraschtes Gesicht. Daniel folgte seinem Blick und stellte fest, dass die vierspännige Kutsche nicht mehr da war. Am plausibelsten ließ sich das damit erklären, dass der Kutscher beschlossen hatte, sich an einen ruhigeren, nicht so sehr von Bankside-Pöbel bevölkerten Ort zu verfügen; fest stand, dass viele Pferde von der demnächst hier beginnenden Darbietung verschreckt werden würden.
    Daniel wandte sich wieder zu dem Gentleman um, der sich den Bauch tätschelte, blind an einer dicken, goldenen Uhrkette entlangtastete, die seine Brokatweste querte, und aus einer winzigen Tasche einen Chronometer zog. An der Uhrkette hingen mehrere verschrumpelte braune Amulette – Hasenpfoten? Der Gentleman klappte den Uhrdeckel auf, sah nach der Zeit und setzte sich endlich.
    Sie hatten nichts versäumt: nur die scherzhaft bombastische Zeremonie, mit der unter der Tür des Kastens auf Rädern eine Kette hervorgezogen und an einem in den Boden getriebenen, wuchtigen Pfahl befestigt wurde. Nun endlich konnte man die Tür öffnen, und zum Vorschein kam der Herzog von Marlborough. An dieser Stelle erlitten Mr. Kikin und sein Begleiter eine schwere Enttäuschung. Denn mochte der Herzog für einen europäischen Schwarzbären groß sein, so war er ein bloßer Wicht im Vergleich mit den braunen sibirischen Ungeheuern, welche Menschen durch Moskowien jagten. Und noch schlimmer: Als ein unerschrockener Bärenführer dem Tier den Maulkorb abnahm und es das Maul aufriss, um zu brüllen, wurde offenbar, dass man ihm die Reißzähne zu harmlosen Stummeln abgefeilt hatte.
    »Die furchterregendsten Feinde des Herzogs: Harley und Bolingbroke!«, schrie der Zeremonienmeister.
    Eine effektvolle Pause. Dann wurde, wie das Fallgatter eines Bergfrieds, die Tür eines riesigen Zwingers hochgezogen. Nichts passierte. Im Zwinger explodierte ein Feuerwerkskörper. Das wirkte: Heraus kamen Harley und Bolingbroke, zwei einander ähnliche Pudel, denen man eine weiße Perücke auf den Kopf geschnallt hatte. Sie schossen halb blind und taub heraus und gingen getrennte Wege; Harley steuerte den Rand der Arena an, Bolingbroke die Mitte, wo der Bär ihn mit einem Prankenhieb zu Boden schmetterte, ihn dann auf den Rücken drehte und mit so etwas wie einer löffelnden Bewegung die andere

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