Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
hindurch, das als offizieller Eingang der Münze diente, mit einer Treppe, die zu einem Kontor im ersten Stockwerk führte.
    Daniels Eskorte geleitete ihn in das Gebäude zur Linken, das Daniel sofort als einen jener elenden Orte erkannte, wo sich Besucher die Beine in den Bauch standen, während sie darauf warteten, vorgelassen zu werden.
    Trotzdem war es gar nicht so schlecht. Er konnte eine Ruhepause vertragen. Auf die entlegene Möglichkeit hin, dass Daniel tatsächlich ein Freund von Sir Isaac war, kam der Pförtner von der anderen Straßenseite herüber und brachte ihm einen Becher Tee. Eine Zeitlang saß Daniel da, trank, sah zu, wie die Kohlekarren herein- und die Mistkarren hinausrumpelten, und spürte das Pochen der Aufwerfhämmer. Gleich darauf teilte man ihm mit, dass Sir Isaac nicht anwesend sei, und gab ihm Gelegenheit, eine Nachricht zu hinterlassen, was er tat.
    Als er auf dem Weg hinaus am Byward Tower vorbeikam, begegnete er dem Gemeinen, der ihn in das Kontor eskortiert hatte.
    »Habt Ihr im Krieg gedient, Soldat?«, fragte Daniel. Denn der Bursche sah nicht wie ein vollkommen grüner Rekrut aus.
    »Ich bin im Jahr elf mit Corporal John marschiert«, kam die Antwort. Corporal John hieß der Herzog von Marlborough bei seinen Soldaten.
    »Aha, die Überflügelung des ne plus ultra«, rief Daniel aus. »Dreißig Meilen an einem Tag, nicht wahr?«
    »Dreißig Meilen in sechzehn Stunden, Sir.«
    »Großartig.«
    Daniel erkundigte sich nicht nach dem Feldzug von 1712 – die Königin hatte Marlborough am ersten Tag dieses Jahres gefeuert. »Ich habe einmal jemanden gekannt, einen Sergeanten in diesem Regiment – er hat mir einen Gefallen getan, und ich habe ihm meinerseits einen getan. Seither herrschte fünfundzwanzig Jahre lang Krieg. Er kann wohl unmöglich noch hier sein -«
    »Es gibt nur einen, der diese fünfundzwanzig Jahre abgerissen hat, Sir«, gab der Soldat zurück.
    »Eine schreckliche Zahl. Wie heißt denn der Mann?«
    »Das ist Sergeant Bob, Sir.«
    »Bob Shaftoe?«
    Der Soldat erlaubte sich ein Grinsen. »Genau der, Sir.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Auf einem Münz-Kommando, Sir.«
    »Münz-Kommando?«
    »Bei einer Arbeit, die für die Münze erledigt werden muss, Sir.«
    »Er ist also -?« Daniel deutete nach hinten zur Mint Street.
    »Nein, Sir, Ihr findet ihn auf der London Bridge, Sir. Die Aufgabe ist ungewöhnlicher Natur, Sir.«
     
    Daniel sah, als er die Brücke fast auf ganzer Länge abschritt, keine Soldaten irgendetwas – ob gewöhnlich oder ungewöhnlich – tun. Dies zumindest war ein Teil Londons, der sich zu seinen Lebzeiten wenig verändert hatte. Die Kleidung, die die Leute trugen und die in den Läden entlang der Fahrbahn verkauft wurde, war natürlich anders. Aber es war spät am Nachmittag, die Sonne schien waagerecht flussabwärts und tauchte die bebauten Teile der Brücke in eine Düsternis, die zu tief war, als dass seine alten Augen sie hätten durchdringen können, und so konnte er sich in diesen Abschnitten einbilden, er wäre wieder ein Zehnjähriger, der in der puritanischen Republik des Oliver Cromwell einen Botengang machte. Aber diese Tagträume wurden unterbrochen, als er zu den Feuerschneisen gelangte, wo die Gebäude endeten und die Brücke einen Steinwurf weit als nackte Fahrbahn weitereilte. Während er sich in diese Lücken hineinwagte, knallte ihm von rechts die Sonne ins Gesicht, und als er den Kopf davon abwandte und die Themse hinunterschaute, sah er zweitausend Schiffe – was den Traum zunichtemachte, er befände sich wieder in der guten alten Zeit. Er durcheilte diese offenen Abschnitte, wie eine Ratte einen unwillkommenen Streifen Laternenlicht durchwuselt, und fand Zuflucht in den kühlen, dunklen Schluchten zwischen den alten Gebäuden.
    Der letzte und kürzeste dieser offenen Abschnitte lag praktisch schon in Southwark, auf dem letzten Achtel der Brücke. Am anderen Ende dieser Lücke wurde die Fahrbahn von einer steinernen Burg überwölbt, die ihrer Bauart nach alt wirkte, aber nur etwa dreihundert Jahre zählte. Sie war das höchste Bauwerk auf der Brücke, denn sie diente als Wachturm und als Engpass. Sie ging auf eine Zeit zurück, in der militärische Operationen weniger komplizierter Natur gewesen waren, sodass ein Bursche, der oben auf dem Turm stand und nach Süden blickte, um in großer Zahl nahende Franzosen oder Sarazenen auszumachen, Alarm schlagen und das Tor zur Brücke schließen konnte. Es hieß Great Stone Gate.
    Jeweils

Weitere Kostenlose Bücher