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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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nämlich indem er den Namen Peters des Großen anrief.
    Es funktionierte. Kikin zeigte nicht den leisesten Zweifel, dass Daniel die Wahrheit sprach. Daran erkannte Daniel, dass Leibnizens Schilderung des Zaren genau gewesen war; er tat alles, und sei es noch so ungewöhnlich, auf seine eigene Weise, und seine Diener, wie etwa Kikin, hielten sich nicht lange, wenn es ihnen an der geistigen Beweglichkeit fehlte, mit seinen Gedankensprüngen Schritt zu halten. So war Daniel imstande, Mr. Kikin und seinen Begleiter beiseitezunehmen und von dem zunehmend monströsen Spektakel hinter der Tribüne wegzubugsieren, wo Mr. White Drohungen und Verwünschungen gegen die Dissidenten bellte, die ihn mit geistlichen Gesängen übertönten, während ein paar ungewöhnlich dumme Zuschauer herbeiflitzten, um sie mit Steinen zu bewerfen.
     
     
    Von Leuten, die Russen kannten, wusste er, dass er mit ausgeprägten Jochbeinen zu rechnen hatte. Lew Stefanowitsch Kikin (wie er sich selbst vorstellte, sobald sie sich von der Auseinandersetzung entfernt und in eine ruhige Ecke von Orneys Werft zurückgezogen hatten) hatte durchaus zwei vorzuweisen. Doch die wuchtigeren Teile seines Gesichts und seine allgemeine Fleischigkeit verbargen seine Knochenstruktur so gut, dass niemand, der beispielsweise nördlich der Seine lebte, ihn als Bürger eines fernen Landes erkannt haben würde, das sich nach allen Berichten sehr vom Rest der Christenheit unterschied. Daniel wäre wohler gewesen, wenn Kikin grüne Haut und drei Augen gehabt hätte, um dadurch jedermann, der ihn ansah, daran zu gemahnen, dass er über alles anders dachte. So aber versuchte sich Daniel auf den exotischen Hut und Kikins riesigen Begleiter zu konzentrieren, der niemals aufhörte, den Horizont nach Raskolniks abzusuchen.
    Kikin seinerseits – der schließlich Diplomat war – hörte mit einer Miene amüsierter Duldsamkeit zu, die Daniel nach einer Weile etwas aufreibend fand. Doch gleichviel, sein Auftrag hier bestand nicht darin, mit Kikin (oder auch mit Orney) Freundschaft zu schließen, sondern dafür zu sorgen, dass das wissenschaftliche Gerümpel hier abgeladen und eingelagert wurde, damit es später nach St. Petersburg verschifft werden konnte. Bevor eine Stunde um war, hatte er das bewerkstelligt und war auf dem Rückweg über den Fluss. Er bat den Fährmann, ihn zum Tower Wharf zu befördern.
    Der Fährmann legte sich kräftig in die Riemen, nicht Daniel zu Gefallen, sondern aus dem selbstsüchtigen Verlangen heraus, möglichst viel Wasser oder sonst etwas zwischen sich und Rotherhithe zu bringen. Auf der Überfahrt vom Süd- zum Nordufer steuerten sie diagonal durch den Pool und gelangten so etwa eine Meile weiter stromaufwärts. Das brachte sie nach Wapping. Von dort aus kamen sie nach einer weiteren Meile Fahrt am Red Cow vorbei, wo Daniel und Bob Shaftoe Lord Jeffreys zur Strecke gebracht hatten, dann an der Kirche St. Catherine und schließlich zum langen Kai des Tower. Dieser war an einer Stelle von dem Bogen durchbrochen, der zum Traitor’s Gate führte. Daniel war einmal dank seiner Redegabe dort hineingelangt, sah aber keinen Vorteil darin, das Gleiche jetzt wieder zu versuchen. Deshalb ließ er den Fährmann weiterrudern.
    Knapp hinter der stromaufwärts gelegenen Ecke des Tower schien der Fluss scharf nach rechts abzuknicken – ein Streich, der dem Landrattenauge vom Tower Dock gespielt wurde, das ein Rudiment des äußeren Grabensystems war. Über diesem stehenden Kanal ragte ein verwirrender Komplex aus Landtoren, Schleusentoren, Docks, Dämmen und Zugbrücken auf, der mehr oder weniger unter der Bezeichnung Lion’s Gate firmierte und als Hauptportal des gesamten Tower-of-London-Komplexes diente. Hier bezahlte Daniel den Fährmann für den Tag und stieg aus.
    Die äußeren Bereiche des Komplexes waren der Öffentlichkeit zugänglich. Daniel gelangte bis zum Byward Gate und ein Stück weit in die Mint Street hinein, ehe irgendwer sich die Mühe machte, ihn zu fragen, was er hier zu suchen habe. Er behauptete, er sei hier, um Sir Isaac Newton einen Besuch abzustatten. Das verschaffte ihm eine Eskorte: einen anglo-irischen Gemeinen der Queen’s Own Black Torrent Guards, der ihn ein kurzes Stück weit die Mint Street hinaufbegleitete. Diese war schmal, laut und lang. Auf den ersten Ellen wurde sie von den Behausungen einiger der Münzarbeiter gesäumt. Danach zwängte sie sich zwischen einem Pförtnerhaus auf der Rechten und einem Gebäude auf der Linken

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