Pringle in Trouble
die Goldwaage. Zwischen mir und van Tenke hat es ein kleines Mißverständnis
gegeben. Na und? Du mußt da vorhin irgend etwas falsch verstanden haben. Das
passiert dir in letzter Zeit übrigens öfter. Ich würde dir vorschlagen, daß du
beim nächstenmal, wenn du deine Augen überprüfen läßt, gleich darauf bestehst,
daß sie auch dein Gehör einmal kontrollieren.»
«Ich habe es noch nie in meinem Leben
nötig gehabt, meine Augen überprüfen zu lassen!» Clarissa ballte vor Wut die
Fäuste.
«Nun, du wirst ja auch älter. Wenn du
Manuskripte liest, fängst du nach einer gewissen Zeit furchtbar an zu schielen.
In deinem Alter braucht man eben langsam eine Brille. Ich denke, Dr. Godfrey
wird mir da sicher zustimmen... Dr. Godfrey?» Doch Hugh hatte sich, des
Geplänkels überdrüssig, still und leise verdrückt.
Wieder in seinem Zimmer, bereute er
fast, sich abgesetzt zu haben. Langeweile überkam ihn. Er warf einen Blick auf
die Bücher, die er sich mitgebracht hatte, aber es war nichts dabei, was ihn
interessiert hätte. Im Fernsehen verlas eine Ansagerin die Nachrichten. Er
drehte den Ton ab und stellte sich vor, sie sei dabei, ihn zu verführen. Sie
sah jedoch nicht so aus, als ob es ihr Spaß machte, und so schaltete er
schließlich ganz ab.
Er setzte sich auf das von einem halben
Baldachin überwölbte Bett und versuchte, Mut zu fassen, ein weiteres, von Mrs.
Ollerenshaw zubereitetes Gebräu zu sich zu nehmen. Als er die Thermosflasche
aufgeschraubt hatte, schlug ihm ein süßlicher Verwesungsgeruch entgegen, den er
aber merkwürdigerweise nicht als unangenehm empfand. Er tauchte eine
Fingerspitze in die Flüssigkeit und probierte. War nicht schlecht! Entschlossen
goß er sich ein halbes Glas voll ein und trank es in einem Zug aus. Und
plötzlich war es ihm, als entdecke er im erlöschenden Kaminfeuer eine Vielzahl
neuer Farben. Blau, Grün, Gold... Hatten irgendwelche ihrer Kräuter oder
Wurzeln womöglich halluzinogene Wirkung? Er goß sich auch noch den Rest ein.
Wenn sein Magengeschwür auch nur den geringsten Mucks von sich gäbe, auch nur die
Andeutung eines Muckses — so würde er umgehend darauf bestehen, dreimal täglich
sein gewohntes Glas Milch zu bekommen. Dann konnten sie sich ihre alten,
überkommenen Heilmittel sonstwohin stecken.
Das Kaminfeuer leuchtete mit nie
gekannter Intensität. Er wollte die Arme ausstrecken, um die Flammen zu
berühren, aber sie waren zu schwer. Vom Park her hörte er das Schreien der
Pfauen. Ob es die toten Seelen erreichte? Irgendwann wurde es still. Hugh
schlief ein.
Im Souterrain waren die Dienstboten
dabei, die neuangekommenen Gäste durchzuhecheln sowie die sie betreffenden
Anmerkungen von Miss Fawcetts Behandlungskarten abzuschreiben.
«Die Arburthnot ist auch wieder da.»
«O Gott, uns bleibt auch nichts
erspart.»
«Und Miss Brown!»
«Ich finde, die ist ganz in Ordnung.
Joggt sie immer noch?»
«Ja. Deswegen kriegt sie auch keine
Frühbehandlung.»
«Alles klar.» Hastig glitten die
Bleistifte über das Papier.
«Habe ich irgend jemand besonderen?»
erkundigte sich Millicent, eine der beiden Masseusen, neugierig. Sie hatte die
üppige Figur einer Juno und war ausgesprochen fähig und geschickt in ihrem
Fach. Jessie sah rasch auf ihren Plan. «Du hast ein paar von den Neuen. Eine
Mrs. Rees, die gerade eine Hüftoperation hinter sich hat, und ihre Begleiterin,
eine Miss Pritchett — die Ehrenwerte Miss Pritchett, um genau zu sein. Sie
gehören beide zu diesem gräßlichen Fernseh-Menschen, den hat aber Wilfred
übernommen.»
«Richard Dimbleby», meldete sich das
atemlose Serviermädchen vom Spülstein her.
«Das will ich nicht hoffen, der ist
schon Jahre tot.»
«Aber der Vorname stimmt. Ich habe
gehört, wie Dr. Willoughby von ihm gesprochen hat.»
«Er heißt Power und wohnt in Nummer
fünf», sagte Mrs. Burg bestimmt.
«Ist das der, der immer diese Sendung
über verfolgte und gequälte Tiere macht?»
«Ja, genau der. Ich sehe sie mir aber
nie an. Ich finde so was langweilig.»
«Ich auch nicht. Zuletzt hat er, glaube
ich, eine Sendung über Schafe gemacht.»
«Habt ihr gehört, was Nummer sieben mit
Brucie gemacht hat?»
Alle nickten. «Die Gäste sind auch
nicht mehr das, was sie einmal waren», sagte Millicent mißbilligend. «Mrs.
Willoughby ist sehr bestürzt.» Die meisten der Angestellten stammten aus dem
Dorf; ihre kollektive Erinnerung reichte noch zurück bis vor die Zeit der
Französischen Revolution.
«Der
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