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Pringle in Trouble

Pringle in Trouble

Titel: Pringle in Trouble Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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Serviererin ein Zeichen, noch Suppe zu bringen.
    Hugh fühlte sich schlecht behandelt. Es
war alles so ungerecht. Er sah, daß Mrs. Ollerenshaw sich einen freien Stuhl
heranzog, kam ihr aber nicht zu Hilfe. Sollte sie doch selbst zusehen. Er
versuchte, möglichst wenig gereizt zu klingen: «Ich habe es für
selbstverständlich gehalten, daß ich in regelmäßigen Zeitabständen einfache
Mahlzeiten bekäme, wie das bei Magenkranken angebracht ist.»
    Mrs. Ollerenshaw faltete ruhig die
Hände vor der Brust. Ihr weißer Kittel stand oben ein wenig offen, und Hugh
erkannte mit raschem Blick, daß sie einen soliden, rosafarbenen Büstenhalter
trug, mit jeder Menge Haken und Ösen.
    «Wie kommen Sie darauf, daß diese Art
Ernährung bei Magenkranken angebracht sei, Dr. Godfrey?» erkundigte sie sich
mit amüsiertem Lächeln.
    «Ich bin schließlich seit mehr als
zwanzig Jahren praktischer Arzt und habe schon Dutzende von magenkranken
Patienten behandelt.»
    Sie schüttelte nachsichtig lächelnd den
Kopf und sagte: «Aber Ihre Behandlung hatte keinen Erfolg, oder? Sonst wären
Sie selbst ja vermutlich nicht hier. Und wie viele Ihrer Patienten mußten auf
den Operationstisch? Hier lehnen wir derartige Eingriffe ab. Wir greifen lieber
auf alte, übernommene Heilmittel zurück, die schon seit Generationen erprobt
sind. Kommen Sie, probieren Sie doch einmal, was ich Ihnen zubereitet habe.»
    Hugh nahm einen Schluck und behielt ihn
einen Moment lang im Mund. Seine Geschmacksknospen schienen sich schlagartig zu
schließen, und die Pelzschicht darauf schmolz einfach. Vorsichtig tastete er
mit der Zunge über seine Zähne. Sie waren offensichtlich alle noch da, aber es
kam ihm so vor, als seien sie weiter auseinandergerückt. Vor lauter Schreck
schluckte er das fremdartige Gebräu hinunter; es kostete ihn einige Anstrengung,
daß es nicht gleich wieder hochkam.
    «Was um Himmels willen ist das?» fragte
er entsetzt.
    «Ein Extrakt aus Kräutern und Wurzeln,
die ich bei Sonnenaufgang im Park gesammelt habe», gab sie ihm ruhig zur
Antwort.
    Dort, wo die Pesttoten begraben liegen,
dachte Hugh angewidert.
    «Mrs. Ollerenshaw, ich bezweifle nicht,
daß Sie bei einigen Ihrer Patienten gute Ergebnisse erzielt haben, aber ich muß
darauf bestehen...» — «Ja?» Sie lächelte ihn an. «Ich würde gern wissen, was in
diesem Gebräu drin war», sagte er lahm.
    Sie legte ihm ihre dunkle Hand auf den
Arm. «Vertrauen Sie mir. Geben Sie der Natur eine Chance, und greifen Sie auf
keinen Fall zu irgendwelchen Medikamenten. Es kann sonst passieren...» Sie
stockte und suchte nach Worten, um ihm zu erklären, wozu Medikamenteneinnahme
bei früheren Gelegenheiten geführt hatte, aber dann fiel ihr plötzlich etwas
anderes ein.
    «Ich habe Ihnen eine Thermosflasche mit
etwas Heißem auf Ihr Zimmer bringen lassen. Trinken Sie es, bevor Sie zu Bett
gehen, aus. Es wird Ihnen helfen.» Mit diesen Worten stand sie auf und ging mit
festen Schritten davon. Mrs. Rees löffelte den Rest ihres Nachschlags in sich
hinein. «Wenn die anderen Mahlzeiten genausogut sind, werde ich mich nicht
beklagen.»
    Hugh nahm vorsichtig einen weiteren
Schluck von der milchigen Flüssigkeit. Diesmal schlug es sich auf die
Nebenhöhlen. Eine heiße Welle breitete sich von der Nase in die Wangenknochen
aus und schien alles dazwischen liegende Gewebe wegzuätzen. Er hatte Mühe,
seine Tränen zurückzuhalten.
    Das atemlose Serviermädchen kam und
brachte Riesenteller mit Salat, bei deren Anblick die beiden Frauen in
Entzückensschreie ausbrachen. «Es sieht so appetitlich aus, man kann gar nicht
widerstehen», sagte Mrs. Rees. Eine taktlose Bemerkung, wie Hugh fand.
    Er fragte sich, ob Willoughby noch im
Hause war und ob er schon jemals einen Magendurchbruch behandelt hatte. Falls
ja, dann vermutlich in seinen Studententagen, falls ihm das Leichenschnippeln
dazu Zeit gelassen hatte.
    Clarissa sah mit nachdenklich
verzogenen Augenbrauen zu Jonathan hinüber. Er hatte wie Hugh nur ein winziges
Glas vor sich stehen, aber er schien trotzdem bester Laune zu sein.
    «Der Grund, warum er sich im Moment
halbwegs anständig aufführt», sagte sie langsam, «ist, daß er irgendwo in
seinem Zimmer sechs Mars-Riegel versteckt hat. Du erinnerst dich, daß wir extra
deshalb an der Tankstelle anhalten mußten?»
    «Ja, natürlich.» Mrs. Rees warf ihrem
heuchlerischen Sohn einen verächtlichen Blick zu. Doch Jonathan, der ohnehin
mit dem Rücken zu ihr saß, konnte das nicht stören. Er fuhr

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