Pringle in Trouble
möchte Sie nur zuerst sehen, das
heißt, wenn Sie sich wohl genug fühlen.»
Sie genoß es, im Mittelpunkt der
Aufmerksamkeit zu stehen, und sagte mit einem Augenaufschlag: «Es geht mir
schon wieder gut; danke, Dr. Godfrey... Ich weiß gar nicht, was eigentlich über
mich gekommen ist... Vielleicht, daß ich in die Jahre komme...» Alle schwiegen,
peinlich berührt. Keiner wußte, was er darauf hätte sagen sollen. Mit einer
großen Geste ihren Taftrock zusammenraffend, erhob sie sich: «Ich werde
Vorgehen, wenn Sie gestatten. Meine Suite ist intimer, und wir haben dort
alles, was wir...»
«Ich muß leider darauf bestehen, daß
die Vernehmung in meinem Büro stattfindet, Madam», sagte Keatly.
Wütend und gekränkt ließ sie sich auf
den Stuhl zurückfallen. «Unter diesen Umständen weigere ich mich. Ich habe
bereits mehr als genug Fragen beantwortet: Kein Mensch kann mich zwingen, noch
mehr zu sagen. Ich kenne meine Rechte.» Flehend blickte sie zu Consuela
hinüber, sie möge sie doch unterstützen. Doch es war der Inspector, der das
Wort ergriff.
«Meine Damen und Herren, ich leite, wie
Sie alle wissen, eine Morduntersuchung. Ich kann dies nun von hier oder vom
nächsten Polizeirevier aus tun, aber stattfinden wird sie — so sicher wie das
Amen in der Kirche. Was nun Ihre Rechte angeht... Ein Constable wird während
Ihrer Vernehmung anwesend sein, um Ihre Aussagen zu Protokoll zu nehmen. Und
bevor Sie dieses Protokoll unterschreiben, werden Sie Gelegenheit haben, alles
noch einmal durchzulesen, ob es auch korrekt ist. Sie können selbstverständlich
Antworten verweigern, aber auch das wird im Protokoll festgehalten...»
Er ließ die ominöse Drohung einen
Moment im Raum stehen und fuhr dann fort: «Wenn Sie es vorziehen, auf dem
Revier vernommen zu werden, statt in dem provisorischen Büro hier, bedeutet
das, daß Sie in einem Polizeiauto heruntergebracht werden, möglicherweise
vorbei an einem Haufen Zeitungsleute, die vor dem Eingang neugierig
herumlungern. Und was Ihren Rückweg angeht, da müssen Sie schon allein zusehen,
denn ich habe nicht vor, Steuergelder für einen Taxidienst zu verschwenden.
Haben das alle verstanden?»
Keiner sagte etwas. Hugh spürte, wie
Clarissa nach seiner Hand griff und sie festhielt. Irgendwo holte jemand tief
Luft. «Nun, möchte jemand lieber aufs Revier?» fragte Keatly. Schweigen. «Das
heißt also, wir bleiben hier.»
Mr. Pringle sah, wie einzelne Gesichter
sich rot färbten oder blaß wurden; die allgemeine Nervosität wuchs. Fast
wünschte er sich, er wäre zu seiner Zeit als Finanzbeamter ab und zu auch
einmal in der Lage gewesen, einen solchen Schrecken zu verbreiten. Doch gleich
bekam er Schuldgefühle. Er hatte nichts gegen die Leute hier. Dr. Godfrey und
Miss Pritchett fand er sogar ausgesprochen sympathisch, und Mrs. Willoughby
anzusehen war ein reiner Genuß... Sie schien wieder große Angst zu haben heute
abend. Hatte sie vielleicht, wie Mrs. Rees, etwas zu verbergen?
«Wenn diejenigen, die ich heute abend
noch sprechen möchte, sich bitte zur Verfügung halten würden...» sagte D. I.
Keatly. «Allen anderen wünsche ich eine gute Nacht. Und ab morgen mittag», er
verzog die Lippen zu einer Art Lächeln, «ab morgen mittag können Sie dann Ihre Erholung
fortsetzen.»
Was das anging, hatte Pringle so seine
Zweifel.
Der Radiator in des Inspectors
provisorischem Büro war nicht abgeschaltet gewesen, und so herrschte eine
beinahe unerträgliche Hitze.
«Oh», sagte Mrs. Arburthnot affektiert,
«da brauche ich mein Cape wohl doch nicht. Ich wollte gerade einen Ihrer
Beamten bitten, es mir zu holen... Das aus Eichhörnchenpelz, es hängt über
einem Stuhl in meiner Suite...»
«Setzen Sie sich, Madam.»
Und halt nach Möglichkeit den Mund,
dachte Pringle. Dieser Mann ist gefährlich.
Sie arrangierte zuerst in aller Ruhe
die Falten ihres Rocks. Mr. Pringle bemerkte wieder jenes säuerliche Aroma, das
ihren Kleidern entströmt war, eine Mischung aus Körpergeruch und jenem Parfüm,
von dem Miss Brown gesprochen hatte. Durch die Wärme wirkte es noch
penetranter.
«Nun, Mrs. Arburthnot...?»
Der Inspector hielt inne; mehr
Ermutigung war auch nicht nötig. Ohne nachzudenken schlüpfte Mrs. Arburthnot in
ihre Lieblingsrolle als charmant plaudernde Dame von Weltr«Wie ich schon sagte,
ich kann mir gar nicht erklären, warum Sie ausgerechnet mich zuerst sprechen
wollten, es sei denn — aus Höflichkeit? Ich nehme an, Sie wollten mir ersparen,
noch
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