Pringle in Trouble
«Die Folge
der Ereignisse, wie Sie sie eben geschildert haben, stimmt, soweit ich sehe,
mit unseren Ermittlungen überein. Das heißt, abgesehen von dem, was Sie über
Mr. Powers erzählt haben. Glauben Sie, daß die Schlußfolgerungen, die Dr.
Godfrey aus dem Verdauungszustand des Erbrochenen gezogen hat, zulässig sind?»
«Ja.»
«Hm. Dann ist dieser Typ vom Fernsehen
also letzte Nacht unterwegs gewesen... das hat er bei seinen bisherigen
Vernehmungen übrigens verschwiegen; hat behauptet, er hätte von elf Uhr abends
bis morgens durchgeschlafen... Wir haben jetzt also ein ungefähres Bild, was
sich in der Nacht abgespielt hat. Es scheint demnach, daß Miss Kelly die letzte
war, die von ihrem Zimmer aus van Tenke gehört hat. Das heißt, abgesehen von
seinem Mörder natürlich. Lesen Sie doch bitte noch einmal Dr. Godfreys Aussage
vor, was sie ihm gesagt habe.»
Mr. Pringle hatte die Stelle schnell
gefunden. «Sie sagte laut Dr. Godfrey etwas von einem Treiben im Nebenzimmer,
das ihr richtig angst gemacht hätte. Und dann, er sollte sich wirklich was
schämen und daß der Colonel es auf sie abgesehen hätte...»
D.I. Keatly nickte. «Ja, richtig. Wegen
dieser Sache mit dem Hund. Aber... ‹er sollte sich wirklich was schämen...›
was, glauben Sie, hat sie damit gemeint?»
«Ich nehme an, daß sie gewisse — eindeutige
— Geräusche gehört hat. Und das ist für mich die Bestätigung meiner Annahme,
daß van Tenke während des Beischlafs überwältigt wurde.»
«Gut möglich, ja. Der Autopsiebericht
erwähnt, daß Verkehr stattgefunden hat. Van Tenke hat übrigens noch gelebt, als
sein Mörder ihn ins Wasser warf. Er war jedoch vermutlich bewußtlos. Die Frau
muß ungewöhnlich kräftig gewesen sein, um das zu bewerkstelligen.» Er schob
Pringle ein paar Fotos über den Tisch. «Hier, sehen Sie sich die mal an.» Mr.
Pringle versuchte, sich innerlich zu wappnen. Er hatte darum gebeten,
informiert zu werden, jetzt durfte er sich nicht beklagen. Er mußte sich
zwingen hinzublicken. D. I. Keatly beobachtete ihn, wie er langsam ein Bild
nach dem anderen betrachtete. Endlich glaubte Pringle, es nun genug sein lassen
zu dürfen. «Vielen Dank. Ich habe übrigens leider noch nicht ermitteln können,
ob es sich bei dem... äh... Verkehr um normalen Beischlaf oder um die... äh —
homosexuelle Variante gehandelt hat. Angesichts des Schwertgehänges erscheint
mir letzteres, ehrlich gesagt, wahrscheinlicher.»
Der Inspector sah ihn überrascht an.
«Wie um alles in der Welt...»
«Mrs. Rees...» begann Mr. Pringle. Der
Inspector hob fragend die Augenbrauen. «Mrs. Rees? Wieso Mrs. Rees? Ich denke,
die ist schon über siebzig!»
«Sie hat den Ermordeten von einem Foto
wiedererkannt, das ihr Mann — ihr verstorbener Mann — in seinem Schlafzimmer
stehen hatte. Er und van Tenke hatten eine sexuelle Beziehung miteinander. Sie
meinte, die beiden Männer seien bisexuell gewesen.»
«Na, das ist ja wirklich reizend! Wie
finde ich denn das! Van Tenke ein Homo!» Er brach ab. «Aber es macht Sinn. Ich
meine — er war ein Riesenkerl. Wenn ein Mann ihn umgebracht hätte...»
«Oder ein Mann und eine Frau
gemeinsam.»
«Ach, verdammt!» Anders als viele
seiner Kollegen fand D.I. Keatly keinerlei Geschmack an sogenannten ‹schmutzigen›
Fällen. «Aber bitte — erzählen Sie schon. Jetzt will ich auch alles hören. Was
hat man Ihnen sonst noch ins Ohr geflüstert?»
Mr. Pringle berichtete von seinem
Gespräch mit Miss Brown. Als er fertig war, schlug Keatly wieder seinen eigenen
Bericht auf. «Nein», sagte er nach einer Weile, «hier steht nichts davon, daß
wir einen Brief gefunden hätten. Man kann zwar Robinson manches vorwerfen, aber
nachlässig war er nicht. Ich bin sicher, daß sie im Zimmer von van Tenke das
Unterste zuoberst gekehrt haben.» Er hatte sich richtig in Rage geredet.
«Davon bin ich überzeugt», sagte Mr.
Pringle besänftigend. «Das heißt also, daß wir annehmen können, daß van Tenke
entweder nach Mrs. Arburthnot einen weiteren Besucher hatte — den Mörder? — oder
daß sie selbst den Brief schon an sich genommen hat.»
«Aber ich habe jetzt endgültig die Nase
voll von irgendwelchen Annahmen», sagte Keatly und stieß mit dem Fuß eine
Schreibtischschublade zu. «Ich werde jetzt selbst mit den Leuten reden und mir
danach meine eigene Meinung bilden. War das jetzt eigentlich alles, was Sie mir
zu sagen hatten?»
«Ich denke schon...» sagte Mr. Pringle
und tat so, als konsultiere
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