Pringle in Trouble
länger warten zu müssen, nicht wahr?» Sie sah ihn schelmisch an. Und das
bei Keatly! dachte Mr. Pringle entsetzt. Ein ungeeigneteres Opfer hätte sie
sich wirklich nicht aussuchen können. Aber sie schien nichts zu bemerken.
Hoheitsvoll lächelte sie in die Runde. Der Puder auf den Wangen war durch ihren
Schweiß ganz pappig geworden, so daß er dort dunkler aussah als auf der übrigen
Haut. «Vor allem sollten wir, denke ich, an die liebe, liebe Mrs. Willoughby
denken, nicht wahr...» sagte sie.
«Man möchte ihr so gerne helfen. Sie
ist so sensibel. Und der Colonel mit seiner angeborenen Großzügigkeit... Sie
wissen, wie alles gekommen ist, nehme ich an? Der Colonel hatte ihn in London
getroffen — rein zufällig —, als er gerade aus seinem Club kam. Sie hatten sich
ein halbe Ewigkeit nicht gesehen! Valter gab ihm zu verstehen, daß er gerne
einmal nach Aquitaine kommen würde — nun, wie der Colonel neulich sagte,
manche Dinge kann man eben nicht ablehnen. Jedenfalls nicht als Gentleman,
nicht, wenn man ein Willoughby ist, das ist eben die Erziehung; die läßt sich
nicht so einfach verleugnen.» Nachlässig schob sie den Rock nach oben — sehr
weit nach oben.
Von seinem Platz in einer der hinteren
Ecken des Raums aus sah Pringle ihre mageren Oberschenkel sich im glänzenden
Metall der Kaminumrandung widerspiegeln. Ihr spitzenbesetzter Strumpfhalter war
eingerissen und schmuddelig, die Strapse ausgeleiert. Als sie die Beine
übereinanderschlug und die Knie noch höher zog, schloß er entnervt die Augen.
Er hatte Angst, mehr zu sehen, als ihm lieb war. Der Inspector dagegen blickte
ungerührt geradeaus. Sie schien sein hinterhältiges Lächeln als Ermutigung zu
nehmen.
Erst als sie mit ihrer Beweihräucherung
der Willoughbys zu Ende war, hielt sie inne. Spürte sie in der plötzlichen
Stille vielleicht doch etwas wie Zweifel? Der Inspector beugte sich ein wenig
vor; ohne Hast, er hatte Zeit. «So, Madam. Und nun wollen wir noch einmal von
Anfang an beginnen, und diesmal möchte ich um die Wahrheit bitten.» Langsam und
mit Bedacht nahm er den Bogen, auf dem, wie alle wußten, ihre erste Aussage
festgehalten war, zerriß ihn und warf die Stücke in den Papierkorb. Mr. Pringle
spürte ihren Schock. Aufmerksam hörte er zu, wie der Inspector nun Schicht um
Schicht ihre Lügen abzutragen begann, und sich dann daranmachte, ihre
Grande-Dame-Attitüde als Hochstapelei zu entlarven. Mitleidig beobachtete Mr.
Pringle, wie die Tränen feuchte Furchen in ihrem dicken, dunklen Puder
hinterließen.
Der Inspector hatte mit einem Bluff
begonnen. Er habe, sagte er, das Foto in ihrer Suite gesehen, und da sei ihm
aufgefallen, daß sie selbst auf der Aufnahme nicht zu sehen sei. «Ich nehme an,
der Grund dafür ist, daß sie gar nicht dazugehörten, auch wenn Sie sicher alles
getan haben, dies zu erreichen... Wie sah Ihre gesellschaftliche Stellung denn
wirklich aus? Waren Sie Gesellschafterin bei einer reichen alten Dame, also
eine Bedienstete?»
Es war ihr anzumerken, daß diese
Behauptung sie tief getroffen hatte. «Nein, nein, nein», schluchzte sie auf.
«Ich bin zwar Krankenschwester gewesen, als Eric mich kennenlernte, aber ich
habe den Beruf sofort nach der Eheschließung aufgegeben. Und bei der Position,
die er innehatte, hatten wir selbstverständlich jederzeit Zutritt zum
Offiziers-Club.»
«Zutritt!»
D. I. Keatly sprach das Wort so
verachtungsvoll aus, daß jeder wußte, dieser Zutritt war teuer erkauft worden —
durch Schmeicheleien, Liebedienereien, Speichellecken.
«Zutritt...!» Er legte seinen ganzen
Abscheu in die Wiederholung.
Sie schluchzte jetzt hemmungslos. Mr.
Pringle konnte es kaum mit ansehen. Wann würde Keatly endlich mit der
eigentlichen Vernehmung anfangen? Aber der Inspector war vorsichtig. Wenn er
nicht aufpaßte, würde ihm am Ende dieser Schmetterling noch aus der Hand
flattern. «Nachdem Ihr Ehemann sich erhängt hatte, hatten Sie allein da auch
noch Zutritt zum Offiziers-Club?»
«Woher wissen Sie das mit Eric?»
Mr. Pringle registrierte erstaunt, daß
D. I. Keatly den Ausdruck ‹Ehemann› benutzt hatte. Wollte er sich die
Enthüllung der Bigamie bis zum Schluß aufsparen, oder meinte er, Miss Browns
Bericht nicht trauen zu können?
«Sie hat es Ihnen gesagt, nicht wahr? Na ja, die Brown. Aber
statt mir mit Eric zu kommen, sollten Sie lieber Melody auffordern, Ihnen doch
einmal zu erzählen, wie ihr Vater denn eigentlich wirklich gestorben ist.»
Melody? dachte Mr.
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