Pringle in Trouble
hätten Sie doch
eigentlich gleich sehen müssen, Sie haben uns vorhin doch gerade darüber
aufgeklärt, was einen Gentleman ausmacht.» Er beugte sich vor, so daß sein
Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt war. Ein zweites Mal würde sie
ihm nicht entkommen. «Ich will jetzt endlich von Ihnen hören, was sich ereignet
hat...»
«Ich hatte nie damit gerechnet, ihn
wiederzusehen... schon gar nicht hier. Er verlangte, daß ich das Geld
zurückzahlen sollte...» Ihre Stimme klang völlig ausdruckslos. War dies jetzt
die Wahrheit?
«Ich sagte ihm, daß mir das nicht
möglich sei... ich habe einfach nicht genug Geld... Er drohte, es den
Willoughbys zu erzählen.» Die letzten Worte hatte sie nur geflüstert, als gebe
es für sie keinen schlimmeren Schrecken als diese Drohung. «Er... er machte mir
einen Vorschlag, wie ich die Schulden auf andere Art und Weise begleichen
könnte.» Mr. Pringle spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte. Er konnte sich
denken, wie dieser Vorschlag ausgesehen hatte. Auch der Inspector hatte sofort
begriffen.
«Und das fanden Sie aufregend, nicht
wahr?» zischte er. «Dr. Godfrey und Miss Pritchett machten ja auch keinen Hehl
daraus, daß sie es miteinander trieben, warum also sollten Sie sich
Zurückhaltung auferlegen? Alle tun es schließlich heutzutage, niemand nimmt
daran Anstoß. Im Gegenteil. Man nennt es heutzutage ‹Befreiung›, wenn Frauen
schlafen, mit wem sie wollen... Andererseits hatte Sie schon lange niemand mehr
gewollt, Jahre nicht...» Er war absichtlich grausam; es war die Strafe, daß sie
ihm beim erstenmal entwischt war. «Ein paar Nächte — war das sein Vorschlag?
Nicht mal viel verlangt angesichts der vermutlich ziemlich hohen Forderungen,
die er an Sie hatte.» Der Inspector holte tief Luft. Jetzt gleich hatte er sie
da, wo er sie haben wollte. Er verbarg die Hände hinter dem Rücken, damit ihr
Zittern ihn nicht verriet. «Nur», begann er in ominösem Ton, «nur — ganz so
einfach war es eben doch nicht.» Sie schwieg. «Nun kommen Sie schon. Erzählen
Sie uns, wie es war.»
Mr. Pringle spürte, wie die Flamme der
Empörung in ihm loderte. Er selbst hatte ja daran mitgewirkt, ihre Lügen zu
entlarven, aber mußte man diese dumme, bornierte Person deshalb gleich derartig
demütigen? Doch dann dachte er plötzlich an den Mann, Eric, und wie er sich den
Strick um den Hals gelegt hatte, weil er keinen Ausweg mehr sah.
«Ich war natürlich ein bißchen nervös»,
begann Sheila Arburthnot und lachte verlegen. Die Männer starrten sie an. «Nach
der ersten Gymnastikstunde hätte ich wissen sollen... aber ich dachte... ich
hoffte, er hätte sich vielleicht geändert... es sind ja so viele Jahre
vergangen seither...» Ihre Stimme hatte etwas Flehendes, doch Keatly schien das
nicht zu rühren.
«Weiter!»
«Er hatte vorher so getan, als wolle er
von mir — nun, das Übliche. Doch als ich dann in seinem Zimmer war...» Sie
lachte hysterisch auf und begann dann zu weinen. «Ich mußte mich ausziehen, das
war alles, was er verlangte.» Die Erinnerung daran ließ sie zittern, sie mußte
sich zwingen weiterzusprechen: «Es war so... so furchtbar erniedrigend... Er
saß einfach nur da und sah mir zu und... sagte Dinge... Ich mußte weitermachen,
bis ich ganz nackt war. Und dann mußte ich mich vor ihn hinstellen, und er...
er sagte wieder... Dinge. Schließlich wurde mir übel, aber er lachte nur! Er
sah vom Nebenzimmer aus zu, wie ich mich im Badezimmer erbrach. Und die ganze
Zeit über dieses Lachen! Als ich wieder herauskam, sagte er, ich könne jetzt
gehen. Er war... er war durch und durch schlecht.»
Der Inspector wartete einen Moment, bis
sie sich wieder etwas beruhigt hatte, und fragte dann: «Und deshalb also haben
Sie ihn umgebracht?» Mrs. Arburthnot hob den Kopf und sah ihn überrascht an.
Als sie sprach, klang ihre Stimme wieder völlig normal. «Oh, oh, nein, ich habe
ihn nicht umgebracht. Wie kommen Sie darauf?»
Mr. Pringle war unendlich erleichtert.
Dies hier war die Wahrheit gewesen, davon war er überzeugt. Doch ein Blick in
das Gesicht des Inspectors ließ es ihm geraten erscheinen, seine Meinung für
sich zu behalten. D. I. Keatly sah aus, als könne er jeden Moment einen
Wutanfall bekommen. «Ich frage Sie noch einmal, Madam. Haben Sie Valter van
Tenke getötet, ja oder nein?»
«Nein», sagte sie sehr bestimmt.
Mr. Pringle hätte sie am liebsten
umarmt, die alte Vogelscheuche, und ihr gesagt, daß nun alles überstanden sei.
Doch er
Weitere Kostenlose Bücher