Pringle in Trouble
Wilson schläft im
Solarium...!» sagte er anklagend.
«Ich erfahre es auch erst jetzt», sagte
Mr. Pringle leise.
Der Colonel höhnte: «Unwissenheit war
zu meiner Zeit keine Entschuldigung!»
Mr. Pringle spürte, wie ihm der Schweiß
ausbrach. Keatly bringt ihn um, dachte er, ganz sicher! Und ich muß zusehen!
Er hätte später nicht mehr sagen
können, wie sie aus dem Raum herausgekommen waren. Das einzige, was in seinem
Gedächtnis haftengeblieben war, war der harte Griff des Inspectors um seinen
Oberarm und die drei Willoughbys wie auf einem Tableau: der Colonel, noch immer
geifernd, und hinter ihm der Doktor und Consuela, beide wie in Angst erstarrt.
Sie waren schon halb unten, als Mr. Pringle einfiel, daß weder der Inspector
noch er selbst den Willoughbys auch nur eine einzige Frage gestellt hatten.
In der Küche saßen die Angestellten
dicht umeinander geschart. Mr. Pringle meinte, eine leise Veränderung in der
Atmosphäre feststellen zu können. Erleichterung? Hatten sie ihre Aussagen
inzwischen eingeübt, so daß sie aufs Stichwort zu antworten wußten? Detective
Inspector Keatly begann in seinem üblichen, unfreundlichen Vernehmungston:
«Wie ich eben erfahren habe, waren Sie
letzte Nacht über im Solarium, Mr. Wilson. Warum haben Sie das nicht früher
erwähnt?»
«Es hat mich keiner danach gefragt.»
Als hätte man ihm den Ratschlag
gegeben: Rede nur, wenn du angesprochen wirst; sage nichts freiwillig, dachte
Mr. Pringle.
«Ich war auch nicht die ganze Nacht über
da...»
«Jetzt erzählen Sie schon, Mann!
Alles!»
«Ich schlafe nicht besonders gut. Das
war schon immer so. Neuralgie. Die feuchte Luft im Solarium bringt mir
Linderung.»
«Brachte sie Ihnen letzte Nacht auch
Linderung?»
«Eine Zeitlang. Dann bin ich aufgewacht
und konnte nicht wieder einschlafen. Ich stand also auf und bin umhergewandert.
Das tue ich des öfteren.»
«Im Schloß umhergewandert, meinen Sie?»
«Ja.»
«Haben Sie jemanden gesehen?»
Wilfred zögerte. Detective Inspector
Keatly war am Ende seiner Geduld: «Ich habe Sie etwas gefragt!» brüllte er.
«Gesehen habe ich niemanden», sagte
Wilfred ruhig, «nur gehört.»
«Was soll das heißen?»
«Da drinnen.» Wilfred deutete auf eine
Tür neben dem Kamin. «Das da ist meine Kammer. Ich bin heruntergekommen, um
mich hinzulegen, aber dann habe ich gemerkt, daß sich jemand darin versteckt
hatte.»
Mr. Pringle hatte angenommen, hinter
der Tür verberge sich ein eingebauter Schrank, aber nun sah er, daß sie zu
einem schmalen Raum führte, dessen eine Wand Teil der Kaminbrust war, die
behagliche Wärme ausstrahlte. Neugierig blickte er dem Inspector über die
Schulter. Eine Reihe von Haken, die wohl früher dazu gedient hatten, an ihnen
Schinken zum Trocknen aufzuhängen, wurde nun von säuberlich geplätteten Hosen
und Masseurkitteln geziert. Auf dem Fensterbrett, wenige Zentimeter über dem
Boden, standen Reihen glänzend polierter Schuhe. In der hinteren Ecke befand
sich ein schmales Campingbett. Die Art, wie die Decken gefaltet waren, rief in
Pringle unangenehme Erinnerungen an seine Militärzeit wach. Im ganzen Raum gab
es kein einziges Buch, keine Bilder, keine Erinnerungsstücke, die Aufschluß
gegeben hätten über Wilfred Wilsons Persönlichkeit. Die Kammer war genauso
farblos wie er selbst.
«Hier drin soll sich also jemand
versteckt haben?» fragte der Inspector ungläubig.
«Ja. Ich habe die Klinke
heruntergedrückt, aber er hatte abgeriegelt.»
Der Inspector betrachtete den Riegel
und ließ ihn einige Male hin- und hergleiten, wobei er darauf achtete, ihn nur
mit den Fingerspitzen zu berühren.
«Ich glaube, er hat ihn vorgeschoben,
als er mich in die Küche kommen hörte», sagte Wilfred.
«Wissen Sie, wer es war?»
Auf diese Frage hatte Wilfred nur
gewartet. Ohne zu zögern sagte er: «Mr. Powers.»
Die übrigen Angestellten fielen ein,
als rezitierten sie ein Rondeau.
«So etwas passiert häufiger...»
«Die Leute kommen in die Küche auf der
Suche...»
«... nach etwas zu essen...»
«So etwas erleben wir fast jede Woche.
Sie schummeln...»
«Sie wissen nicht, was gut für sie ist,
und halten sich einfach nicht an die Diät...»
«Besonders, wenn es die Flüssigdiät
ist...»
«Ein Ehepaar ist sogar gesehen worden,
wie es im Dorfgasthaus saß und Schokoladenkuchen gegessen hat, weißt du noch,
Millie?» Die Erinnerung an den Frevel brachte sie alle zum Schweigen. Mrs.
Ollerenshaw schüttelte den Kopf und schien etwas sagen zu
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