Pringle in Trouble
ein wenig zur Seite geneigt,
wartete er ab. «Krankenschwester!» sagte Millicent nach einer Weile
verächtlich. «Die und Krankenschwester! Hat doch nie eine anständige Ausbildung
gehabt! Sie ist eines Tages einfach bei uns im Krankenhaus aufgetaucht und hat
irgendeinen wertlosen Wisch geschwenkt. Aber wir brauchten damals gerade
Personal, und deshalb hat unsere Oberschwester sie eingestellt. Aber sie ist
nicht lange geblieben. Sie hat gleich den ersten Patienten, dem sie die
Bettpfanne ausgeschwenkt hat, geheiratet.»
«Sie waren also in demselben
Krankenhaus beschäftigt?»
«Ja, als Stationsschwester. Kurz darauf
hörte ich auch auf, weil ich heiratete — reine Zeitverschwendung, aber
hinterher ist man immer klüger — , und zumindest hat mein Mann sich nicht
aufgehängt. Als ich geschieden war, hat mir Madam hier geschrieben und eine
Stelle angeboten. Sie hat auch die Ausbildung zur Masseuse gezahlt.» Die
stämmige Frau bekam feuchte Augen. «So etwas nenne ich wahre Freundschaft. Und
sie hat nie auch nur einen Penny zurückverlangt, stimmt’s, Jessie? Sie ist eine
ganz großartige Person...»
«Jawohl, das ist sie», stimmte Jessie
zu, «sie ist nicht nur schön, sie ist auch gut.» Millicent nickte andächtig.
Ihre schwärmerische Verehrung für Mrs. Willoughby erinnerte Mr. Pringle an
einen alten deutschen Film, den er vor einiger Zeit gesehen hatte. Sein Titel
hatte gelautet ‹Mädchen in Uniform›, und die Backfische dort hatten
gegenüber einer Lehrerin ähnliche Zeichen pubertärer Liebe von sich gegeben wie
Millicent und Jessie sie offenbar für Mrs. Willoughby empfanden. Nur — die
Mädchen im Film waren eben Heranwachsende, während Millicent und Jessie
gestandene Frauen waren—eine Tatsache, die für Mr. Pringle das Ganze sehr viel
beunruhigender machte.
«War Mrs. Willoughby ebenfalls in
diesem Krankenhaus tätig?» erkundigte sich Keatly.
Sie blickten ihn überrascht an. «Madam?
Wie kommen Sie denn darauf? Sie ist eine Dame! War gerade mit dem Pensionat
fertig, als sie nach Singapur kam. Dort begegnete sie dem Colonel, und die
beiden haben dann ziemlich schnell geheiratet. So war es doch, Wilfred, oder?»
Wilfreds Gesicht glich einer
undurchdringlichen Maske. «Ich glaube ja. Ich habe Madam kennengelernt, als der
Colonel sie in der Offiziersmesse vorgestellt hat.»
Immerhin mehr, als ihr bisher erzählt
habt, dachte Mr. Pringle. Aber wie waren sich Millicent und Consuela begegnet?
Eine Frage lag ihm auf der Zunge, doch er hatte den richtigen Augenblick
verpaßt; der Inspector war bereits dabei, seine Papiere einzupacken. Die Angestellten
sahen, daß das Gespräch beendet war, und begannen wieder, sich ihren Pflichten
zu widmen. Mrs. Ollerenshaw kümmerte sich wieder um den Herd, Millicent
studierte die Behandlungskarten. «Habe ich morgen keine Aroma-Therapie?» sagte
sie zweifelnd. «Doch, Mrs. Rees...» Jessie wies mit dem Finger auf die unterste
Zeile. «Morgen früh um halb neun Uhr.»
«Und was ist Aroma-Therapie?» fragte D.
I. Keatly verständnislos.
«Eine Massage mit Kräuterölen. Sehr
beruhigend, besonders...» Millicent bedachte sowohl Keatly als auch Pringle mit
einem vernichtenden Blick, «besonders, wenn jemand gerade eine unangenehme Zeit
durchmacht.»
Als sie die Küche verließen, mußte der
Inspector herzhaft gähnen. «Schon bald Mitternacht. Mal sehen, ob Powers
vielleicht doch noch... Ja, was ist.?» Wilfred war ihnen nach draußen gefolgt.
«Ich wollte nur fragen, um welche Zeit ich morgen zu meiner Mutter fahren
kann», sagte er.
«Oh, so gegen halb zehn Uhr, denke ich.
Dann habe ich vorher noch die Möglichkeit zu überlegen, wer Sie fährt und in
welchem Wagen.»
«Vielen Dank, Sir. Und gute Nacht.»
Damit verschwand er.
Pringle und Keatly stiegen in den
ersten Stock. «Es würde mich nicht wundern, wenn der Powers heute nacht wieder
eine Freßorgie veranstaltet und Wilfred seine Kammer besetzt findet», sagte
Keatly bissig. Mr. Pringle lief schweigend neben ihm her. Er war sich nicht
sicher, ob seine Anwesenheit überhaupt erwünscht war, aber er wollte auf jeden
Fall hören, was Jonathan zu sagen hatte. Der Sergeant war nirgendwo zu sehen.
«Arbeiten Ihre Leute eigentlich rund um die Uhr?» erkundigte sich Pringle
vorsichtig.
«Du liebe Güte, nein. Bei den
Überstundenaufschlägen! Nein, Mehrarbeit ist nur gestattet, wenn es um eine
Vergewaltigung oder ein Kind geht. Dafür ist dann immer genug Geld da.»
«Und wenn das Opfer ein Rentner
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