Pringle vermisst eine Leiche
haben. Stimmen Sie alle meinen Ausführungen im wesentlichen zu? Gibt
es noch Fragen? Möchte irgend jemand noch etwas ergänzen?»
«Als unser Opa Mittwoch nacht
von den Browns zum Hope & Anchor ging, ist er da vielleicht
zufällig Mrs. Leveret begegnet?» Andrews schüttelte den Kopf.
«Nein, das einzige, was er
gesehen hat, war ein Fuchs. Pringle hat uns erklärt, daß er ziemlich betrunken
gewesen sei und voll und ganz damit beschäftigt aufzupassen, daß er nicht über
die Halteseile des Zelts stolperte.»
«Wir müssen leider
feststellen», sagte Andrews ernst, «daß wir bisher keinen einzigen Zeugen
haben, der die Ermordete in jener Nacht gesehen hat, so daß wir nicht einmal
wissen, in welcher Richtung sie gegangen ist, um diesen ominösen Leonard zu
treffen.» Sie steckten in einer Sackgasse, das war allen klar. Einige der
Beamten rutschten unruhig auf ihren Stühlen hin und her. Ein älterer Sergeant
meldete sich zu Wort.
«Sir, hat Oliver Kenny
eigentlich Bescheid gewußt, daß seine Frau ihn betrügt?»
«Wir denken, ja. Aber wir
hatten noch keine Gelegenheit, ihn zu fragen.»
Mr. Pringle unterzog sich der
Aufgabe, die jetzt vor ihm lag, nur höchst widerwillig. Er wartete seit Sonntag
darauf, Reg Terson unter vier Augen sprechen zu können, doch nun empfand er
Unbehagen und wußte nicht, wie er beginnen sollte. Terson hatte bisher noch
kein Wort gesprochen, sondern sich schweigend vor die beschädigte Abdeckung
gehockt. Es war mehr einem lange eingeübten Reflex als aktueller Überlegung
zuzuschreiben, daß Mr. Pringle sich dazu gedrängt fühlte, etwas zu sagen.
«Es tut mir leid, daß ich sie
nicht heil herunterbekommen habe.»
«Man wird sie vorerst nicht
wieder befestigen können.»
«Das wird ja wohl auch kaum
mehr nötig sein.» Die Knöchel an den Händen des Pfarrers traten weiß hervor, so
fest packte er plötzlich die Kanten der hölzernen Platte. «Die
mittelalterlichen Wandgemälde dienen ja ohnehin nur als Tarnung für das, was
darunterliegt», sagte Mr. Pringle ruhig.
Terson schien wie erstarrt.
«Mrs. Bignell und ich haben die
Wahrheit über König Wuffas Wandgemälde herausgefunden», fuhr er fort. «Wir
waren unten im Gewölbe. Hinterher haben wir alles wieder in Ordnung gebracht.
Die vordere Kirchenbank steht genau an ihrem Platz, so daß der Spalt nicht mehr
zu sehen ist.»
«Wenn Sie unten waren und die
Fresken dort gesehen haben, dann werden Sie sich denken können, welcher Art die
Bilder sind, die unter den Übermalungen liegen.» Terson hatte sich aufgerichtet
und starrte voller Ingrimm auf das Wandgemälde.
«Offenbar der Art, daß die
Kirche kein Interesse daran hat, sie in der Öffentlichkeit zu zeigen», sagte
Mr. Pringle. Auf dem hageren Gesicht des Reverend erschien die Andeutung eines
Lächelns.
«Hat einer von Ihnen beiden
gegenüber einem Dritten etwas von dem, was Sie hier entdeckt haben, verlauten
lassen?»
Mr. Pringle schüttelte den
Kopf. «Nein, und wir werden auch in Zukunft darüber schweigen. Als Kind fand
ich hier Zuflucht vor dem Krieg; ich habe das Gefühl, daß ich Wuffinge
Loyalität schulde.»
«Als man mich herholte, hat man
mir nichts von den Wandgemälden im Gewölbe gesagt. Das wird mit allen Pfarrern
so gehalten. Erst nach einer Weile entscheiden sie, ob er eingeweiht wird oder
nicht. Eine Art Probezeit sozusagen: Wird er den Mund halten, oder rennt er zum
Bischof?»
«War es der Major, von dem Sie
es erfahren haben? Ich nehme an, daß die Kirchenvorsteher diejenigen sind, die
das Geheimnis kennen und über seine Weitergabe entscheiden?»
«Nein, nicht unbedingt. Die
jeweils verantwortliche Person entscheidet, wen sie zum Mitwisser macht. Es
müssen immer zwei sein, die Bescheid wissen. Während der vergangenen
fünfhundert Jahre hat es sich so ergeben, daß immer einer davon aus der Familie
Petrie Coombe-Hamilton stammte. Jeder muß, bevor er es erfährt, schwören, daß
er es für sich behalten und, falls der andere Mitwisser vor ihm stirbt, das
Geheimnis an eine zweite Person weitergeben wird. Die beiden Verantwortlichen
beschließen jeweils gemeinsam, ob der neu eingeführte Pfarrer es erfahren soll
oder nicht. Offenbar haben sie in der Vergangenheit immer die richtige
Entscheidung getroffen, denn das Geheimnis ist seit über einem Jahrtausend
bewahrt geblieben. Viele meiner Vorgänger haben ihr Amt angetreten und sind aus
ihm ausgeschieden, ohne auch nur eine Ahnung von dem Gewölbe zu haben und was
es enthält.» Mr. Pringle
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