Pringle vermisst eine Leiche
fragte sich erneut, wie es ein Pfarrer mit seinem
Gewissen vereinbaren mochte, direkt über dem Gewölbe einen Gottesdienst
abzuhalten. Terson schien seinen Gedanken erraten zu haben. «Mich hat man,
nehme ich an, eingeweiht, weil man von meiner Seite keine Schwierigkeiten
erwartete... nicht ernsthaft und engagiert genug, um einen Aufstand zu machen.»
Oder vielleicht nur zu schwach,
dachte Mr. Pringle. Er war froh, jetzt endlich Antworten auf seine Fragen zu
bekommen.
«War das Gewölbe der Grund,
warum der Major das Blumenfest ablehnte?»
«Nein, das Gewölbe nicht»,
antwortete Terson. «Wir brauchten dringend Geld für die Erneuerung des Daches.
Die Erzählungen über König Wuffas Wandgemälde waren im Dorf immer noch
lebendig. Zufällig hatte ich während meiner Zeit als Gefängnisgeistlicher
Robert kennengelernt. Ich traute ihm zu, die Fresken, falls sie tatsächlich
vorhanden waren, zu restaurieren...»
«Aber die drei Bilder hier
rechts sind Fälschungen!» rief Mr. Pringle empört. «Oder wollen Sie mir etwa
weismachen...?» Reg Terson wurde rot.
«Sie als Fälschung zu
bezeichnen ist wirklich nicht ganz korrekt», entgegnete er leise.
«Was wollen Sie damit sagen?»
«Ganz einfach: daß sich unter
der dicken Putzschicht tatsächlich Reste der ursprünglichen Farbe befanden,
aber es waren nur noch Flecken, es gab keine Konturen mehr.»
«Das heißt, Sie hielten sie für
zu gestaltlos, um von Interesse zu sein? Haben Sie dem Major davon Mitteilung
gemacht? Er muß mit Beginn der Restaurierungsarbeiten in großer Sorge gewesen
sein, daß die Gemälde, die da ans Tageslicht geholt werden sollten, womöglich
im Charakter denen im Gewölbe glichen.»
«Ich sagte ihm, die beiden
Restauratoren hätten Farbspuren entdeckt. Mehr nicht. Als Robert vorschlug, er
könne diese Farbspuren — nun... vervollständigen, stimmte ich nach einigem
Zögern zu. Das war, wie ich jetzt weiß, natürlich eine große Torheit.» Mr.
Pringle nickte.
«Diese Fälschungen...» begann
er erneut.
«Es waren keine Fälschungen.»
Terson war auch jetzt noch nicht bereit, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.
«Nicht zu Anfang.»
«Aber nachdem Robert aus den
Farbspuren Gemälde gemacht hatte, mußte Ihnen doch klar sein, daß früher oder
später jemand stutzig werden würde. Das war doch nur eine Frage der Zeit. Der
Major ist durch die Kaninchen darauf gekommen, nicht wahr?»
«Die Kaninchen?» Zu Mr.
Pringles Erstaunen schien der Reverend überhaupt nicht zu wissen, wovon er
sprach. «Was meinen Sie denn damit? Der Major ist eines Nachts unerwartet hier
in der Kirche aufgetaucht und hat sofort gemerkt, was vor sich ging.»
«War das die Nacht, in der er
starb?» Die Erklärung war also viel einfacher, als er angenommen hatte.
«Ich war nicht hier, ich war
dienstlich in London», fuhr Terson fort. «Peter war nachlässig gewesen und
hatte die Kirchentür nicht abgeschlossen wie sonst. Er und Robert waren dabei,
die Gemälde mittels ausgetüftelter Techniken künstlich zu ‹altern›, als sie ein
Geräusch hörten und plötzlich der Major vor ihnen stand. Es gab einen Riesenkrach.
Er war wieder einmal betrunken. Wie wir hinterher erfuhren, hatte er bereits
vorher im Pub mit Miranda Kenny gestritten. Zwei Auseinandersetzungen in einer
Nacht — das war für sein schwaches Herz einfach zuviel. Der Arzt hat den
Totenschein auch ohne weiteres ausgestellt.»
Mr. Pringle hörte gar nicht
mehr zu, er verfolgte einen eigenen Gedanken. «Sie drei beschlossen also, aus
bloßen Farbspuren Gemälde zu zaubern, und eine bereitwillige Öffentlichkeit
ließ sich auch — zugegebenermaßen nur allzu gern — täuschen. Trotzdem, der
Tatbestand der Fälschung und des Betrugs bleibt bestehen.»
«Die Idee dazu stammt von
Robert und Peter, nicht von mir», versuchte Terson sich zu verteidigen.
Mr. Pringle wurde scharf: «Aber
Sie haben diese Idee stillschweigend gebilligt, indem Sie die beiden gewähren
ließen», sagte er, «das ist nicht weniger schlimm.»
«Aber das stimmt so nicht»,
rief Terson verzweifelt. «Die ganze Geschichte hat sich verselbständigt. Es ist
richtig, daß ich Robert hierher eingeladen und ihm auch erlaubt habe, seinen
Freund Peter mitzubringen — aber ich habe damals nicht übersehen können, was
daraus entstehen würde. Robert und ich lernten uns im Gefängnis von Chelmsford
kennen, er saß dort eine Strafe ab, weil er ein Bild gefälscht hatte. Ich arbeitete
dort als Kaplan. Meine Absicht war, ihm eine
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