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Pringle vermisst eine Leiche

Pringle vermisst eine Leiche

Titel: Pringle vermisst eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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ja.» Er lehnte das Bild gegen die Gemüseschüssel.
«Doris, ihr Bruder Fred und der da», er deutete mit dem Finger auf einen
schmächtigen Jungen in der zweiten Reihe, «der da gehört auch dazu. Seinen
Namen habe ich allerdings vergessen. Sie sind alle von hier weggegangen, Doris
ist die einzige, die zurückgekommen ist.» Mr. Pringle nahm das Bild und hielt
es unter die Lampe. Er blickte in ein eckiges kleines Gesicht mit einem
unverkennbaren Zug von Entschlossenheit.
    «Mein Gott, ist die fett
geworden», entfuhr es ihm.
    «Das macht das gute Leben»,
lachte Felicity. «Darf ich Ihnen noch etwas auftun?»
    «Nein danke», antwortete er
eilig. «Aber es war wirklich sehr gut.»
    Felicity begann abzuräumen,
während ihr Mann Mr. Pringle noch ein Glas Wein einschenkte.
    «Soweit ich mich erinnere, hat
Doris eine Ausbildung als Krankenschwester gemacht», sagte er. «Sie hätte wohl
ein Stipendium fürs Gymnasium bekommen, aber ihre Eltern konnten es sich nicht
leisten, sie noch länger zur Schule gehen zu lassen.»
    «Irgendwie hat sie mir den
Eindruck vermittelt, als ob sie tatsächlich auf dem Gymnasium gewesen sei»,
bemerkte Mr. Pringle.
    Ted schüttelte den Kopf. «Das
habe ich anders in Erinnerung. Aber das alles liegt jetzt ja auch schon sehr
lange zurück. Als sie hierher zurückkam — sie war gegenüber früher völlig
verändert —, sprach sie von einem Ehemann, der vor ein paar Jahren ‹verschieden›
sei. Als sie und Leveret sich dann begegnet seien, sei das für sie beide eine
Art Naturereignis gewesen. Ich habe allerdings immer vermutet, daß er an dem
Tag wohl seine Brille zu Hause vergessen hatte.»
    «Sei nicht ungerecht, Ted»,
schaltete sich Felicity von der Küche her ein. «Doris war — oder ist vermutlich
immer noch — eine großartige Gastgeberin. Als sie damals herzogen, haben sie
noch regelmäßig große Gesellschaften gegeben. Die Gäste kamen in eleganten
Limousinen aus London, sie engagierte Köche und andere Dienstboten und war,
glaube ich, ganz in ihrem Element.»
    «Und dann hörte das von einem
Tag zum anderen plötzlich auf», sagte Ted. «Es gab Gerüchte, daß er beim
Zusammenbruch der Börse sein ganzes Geld verloren habe.»
    «Aber war das nicht schon viel früher?
Noch ehe die Kennys hierherzogen?» überlegte Felicity. «Ich denke, daß Doris
sich in ihrer Stellung hier damals noch unangefochten sah, selbst als Miranda
schon da war. Der Major fungierte als eine Art inoffizieller Squire in
Wuffinge, und Doris war so etwas wie die Erste Dame des Dorfes, die allen
Leuten erklärte, was für sie das beste sei. Aber allmählich setzte dann eine
Veränderung ein. Manchmal waren die Auseinandersetzungen zwischen Doris und
Miranda so erbittert, daß der Major schlichten mußte.»
    «Ach, nicht der Pfarrer?»
fragte Mr. Pringle erstaunt.
    «Nein, der liebt sein ruhiges
Leben», sagte Felicity ein bißchen spöttisch. «Sein Einsatz für die Wandgemälde
hat hier im Dorf alle ziemlich überrascht, so aktiv wie in der letzten Zeit war
er vorher nie.»
    «Du tust dem Mann unrecht,
Felicity», wandte ihr Mann ein, «bis zur Entdeckung der Wandgemälde bestand ja
schließlich auch gar keine Notwendigkeit, soviel Geld auftreiben zu müssen.
Aber als es dann hieß, die Fresken seien womöglich einzigartig, da hat er sich
genauso ins Zeug gelegt, wie die anderen auch. Und vergiß nicht, daß er
derjenige war, der Mirandas Idee von einer Kunsthandwerkausstellung am
nachdrücklichsten unterstützt hat.»
    «Ja, schon», gab sie zögernd
zu. «Und was Doris angeht, so muß sie sich eben daran gewöhnen, daß sie ihre
alte Rolle nicht mehr spielen kann. Das Unglück ist, daß es jetzt, wo der Major
nicht mehr lebt, keinen mehr gibt, dessen Wort bei allen gilt.»
    «Ich weiß was», rief Ted, wie
jemand, der gerade einen Geistesblitz gehabt hat. «Wir machen noch eine Flasche
Wein auf. Einverstanden, alter Junge?»
     
    Als Felicity zwei Stunden
später den Kaffee servierte, waren sie alle sehr gelöster Stimmung. Sie bat Mr.
Pringle, ihr das Haus der Petrie Coombe-Hamiltons zu beschreiben, und er tat
ihr den Gefallen, ohne jedoch allzu indiskret zu werden. Sie verstand und
fragte nicht weiter nach.
    «Was Sie da sagen, überrascht
mich nicht», erklärte sie. «Wir haben uns schon gedacht, daß sie ziemlich von
der Hand in den Mund gelebt haben. Der Major war jemand, der aus einem Impuls
heraus eine großzügige Spende an die Konservative Partei überwies, ohne daran
zu denken, daß die

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