Pringle vermisst eine Leiche
nach. Mir ist, als hätte ich den Namen heute schon gehört...» Sein
Kollege überflog rasch die letzten Eintragungen. «Hier, ich hab’s. Mrs. Kenny
ist die rechtmäßige Besitzerin der Mütze, die die angebliche Leiche getragen
haben soll. Aussage unseres Opas.»
«Genau! ‹Eine Wollmütze mit
Aztekenmuster› hat er gesagt. Wenn wir jetzt sowieso hinfahren, können wir sie
ja gleich fragen, ob sie sie noch hat. Wo wohnt sie übrigens?»
Syd räumte den Tisch ab und
forderte anschließend energisch, endlich aufgeklärt zu werden. Mr. Pringle
erzählte ihm in wenigen Sätzen, was er im Zelt gesehen hatte, und verschwieg
auch nicht länger, daß es sich bei der Toten um Doris Leveret handelte. Was
konnte es schließlich schaden? Mochte die Polizei auch noch so skeptisch sein,
er selbst hatte nicht den geringsten Zweifel, daß sie tot war.
«Aber eine Leiche kann doch
nicht so einfach verschwinden!» rief Syd und atmete tief durch, so, als bliebe
ihm vor Entsetzen die Luft weg. In Wahrheit liebte er Sensationen über alles.
«Im Moment sieht es aber leider
ganz so aus. Da, wo ich sie gesehen habe, ist sie jedenfalls nicht mehr.»
«Aber wo dann?»
«Das herauszufinden ist Aufgabe
der Polizei.» Aber wer weiß, wenn sie ihm nicht glaubten, dann gab es
vielleicht gar keine Suche. «Übrigens möchte ich Sie dringend darauf aufmerksam
machen», wandte er sich in ernstem Ton an den Wirt, «daß es unabsehbare
Konsequenzen haben könnte, wenn Sie oder ich irgend etwas über den Tod von Mrs.
Leveret verlauten lassen würden. Mr. Leveret hat nämlich noch keine Ahnung, daß
seine Frau nicht mehr am Leben ist.»
«Oh, das geht in Ordnung, da
machen Sie sich mal keine Sorgen», sagte Syd leichthin. «Der kommt sowieso nie
hier herein. Komischer Gedanke, daß es ausgerechnet Doris erwischt hat... sie
war immer so unnahbar und schrecklich hochnäsig... übrigens würde ich wirklich
gerne wissen, was wohl Miranda Kenny letzte Nacht gemacht hat?»
Mr. Pringle konstatierte
resigniert, daß er da etwas in Gang gesetzt hatte, das sich seiner Kontrolle
entzog. Aber nun war es wohl zu spät. Trotzdem unternahm er noch einen Versuch:
«Ich muß Sie noch einmal warnen, ehe wir nicht die Leiche haben...»
«Aber das kann doch nicht mehr
lange dauern. Ich meine, weit kann sie ja nicht gekommen sein. Haha.
Übrigens... ich habe da gerade eine grandiose Idee. Warum organisieren wir
nicht eine großangelegte Suche?»
«Oh, das lohnt noch nicht»,
sagte Mr. Pringle in einer ungewohnten Anwandlung von Zynismus, «an Ihrer
Stelle würde ich damit warten, bis eine Belohnung ausgesetzt ist.»
Er ging nach oben, um sich
etwas hinzulegen, aber das Zimmermädchen war gerade beim Saubermachen. Sie
übergab ihm einen Briefumschlag. «Joyce Parsons’ Tochter hat ihn auf ihrem Weg
zur Schule eben vorbeigebracht. Ihre Mutter läßt Ihnen ausrichten, Sie sollten
ihn gleich lesen.»
Der Umschlag enthielt eine
Liste von zum Verkauf stehenden Häusern, die von ihr vereinbarten
Besichtigungstermine hatte sie gleich danebengeschrieben. Offenbar war es ihr
ein dringendes Anliegen, ihm hier ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Die
erste Besichtigung sollte gleich um halb zehn Uhr sein. Mr. Pringle stöhnte.
Kapitel
vier
Auf dem Weg vor ‹Macavity’s
Weidegründen› parkte ein zweifarbiger z CV. Der Mann, der auf ihr Klopfen den
beiden Polizeibeamten die Tür öffnete, hatte einen auffallenden Vollbart, trug
ansonsten aber ganz konventionell Anzug und Krawatte. Der ältere der beiden
Beamten sagte freundlich: «Mr. Kenny?»
Oliver straffte unmerklich die
Schultern. «Sie sind schneller hier als erwartet.»
«Wir
waren zufällig ganz hier in der Nähe. Ist Ihre Frau...?»
«Bitte kommen Sie herein.» Er
ging ihnen ins Haus voran. «Wir haben eine furchtbare Nacht hinter uns»,
bemerkte er unbeholfen. Auf der Schwelle zum Wohnzimmer blieb er stehen und
sagte: «Die Polizei ist hier. Komm mal, Liebling.» Das Kosewort klang ihm
selbst fremd in den Ohren, aber er war entschlossen, hier und jetzt den
fürsorglichen Ehemann zu spielen. «Siehst du, jetzt brauchst du wirklich keine
Angst mehr zu haben», fügte er hinzu.
«Oh, nein!» Beim Anblick der
beiden sprang Miranda erregt auf. «Ich habe ausdrücklich eine Beamtin verlangt. Ich weigere mich kategorisch, Ihnen gegenüber irgendwelche Angaben
hinsichtlich des Angriffs auf mich zu machen. Männer nutzen die Schilderung
solcher Gewalttaten doch nur dazu, sich an den
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