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Pringle vermisst eine Leiche

Pringle vermisst eine Leiche

Titel: Pringle vermisst eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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sexuellen Details zu weiden.»
    Die Beamten bewahrten bewunderungswürdige
Ruhe. «Bitte regen Sie sich nicht auf, Madam», sagte der ältere der beiden in
begütigendem Ton. «Eine Kollegin ist bereits auf dem Weg hierher. Sie können
ihr den Tathergang schildern. Wir möchten Sie jetzt nur um eine möglichst
genaue Täterbeschreibung bitten, wir wollen sie so schnell wie möglich
herausschicken, vielleicht hält sich der Mann ja noch in der Gegend auf.»
    «Das bezweifle ich doch sehr.
Das ganze ist ja inzwischen schon etliche Stunden her.»
    Der Beamte blickte die beiden
Kennys überrascht an. «Darf ich fragen, wieso es so lange gedauert hat, uns zu
verständigen?»
    Oliver blickte nervös auf seine
Uhr. «Meine Frau wird Ihnen das alles erklären. Ich muß jetzt wirklich zur
Arbeit. Um zehn Uhr habe ich einen Termin mit dem leitenden Planungsbeamten...»
    «Würden Sie meinem Kollegen
bitte eine Nummer hinterlassen, unter der Sie tagsüber zu erreichen sind, Mr.
Kenny?»
    «Selbstverständlich.»
    «Oliver, du wirst mich doch
jetzt nicht etwa alleinlassen?» sagte sie in so übertrieben angstvollem Ton,
daß die beiden Beamten sich peinlich berührt ansahen.
    «Sie sind hier vollkommen in
Sicherheit, Madam», sagte der jüngere der beiden Beamten. «Wir werden so lange
bei Ihnen bleiben, bis unsere Kollegin eintrifft.»
    Der ältere der beiden bedeutete
Oliver mit einer Kopfbewegung, ihm auf den Flur zu folgen — außer Hörweite
seiner Frau. «Nun, Sir, vielleicht können Sie uns erklären, warum wir erst
jetzt informiert wurden?»
    Oliver zuckte die Achseln. «Sie
kam völlig aufgelöst nach Hause zurück, aber wollte nicht, daß ich Sie anrief.
Miranda ist mißtrauisch, was das Verhalten der Polizei bei Vergewaltigung
angeht. Ich glaube übrigens nicht, daß der Mann...», er senkte die Stimme,
«also, daß er richtig gewalttätig geworden ist. Ein bißchen grob vielleicht, Sie
wissen schon.»
    «Ich verstehe.»
    «Wie sie mir gesagt hat, hat er
sie wohl in der Dunkelheit angesprungen und ihr dann irgendwelche
Unanständigkeiten ins Ohr geflüstert.»
    «So.» Oliver öffnete die
Haustür. Es war deutlich zu merken, daß er so schnell wie möglich von hier weg
wollte. «Wir waren beide die ganze Nacht auf. Miranda war sehr mitgenommen —
aber vor allem schrecklich wütend. Und wie schon gesagt, ich durfte Sie nicht
anrufen. Dann, ungefähr vor einer halben Stunde, änderte sie plötzlich ihre
Meinung. Griff zum Telefon und erstattete Anzeige.» Röte überzog sein Gesicht.
Vielleicht ärgert es ihn, daß seine Frau so überraschend ihre Meinung geändert
hat, dachte der Beamte. «Aber jetzt muß ich wirklich...» sagte Oliver gehetzt.
Er lief den Gartenweg hinunter, als sitze ihm jemand im Nacken. Er ließ die
Kupplung springen, so daß der 2 CV wie ein Känguruh die Straße hinunterhüpfte.
Der Beamte sah ihm kopfschüttelnd nach.
    Als er das Dorf hinter sich
hatte, fuhr Oliver an den Rand und hielt an, um sich den Schweiß von der Stirn
zu wischen. Er fand, er hatte eine überzeugende Vorstellung gegeben: Ein
schwacher Mann, der es nicht wagte, seinen Chef warten zu lassen. Kein Mann,
dem eine Frau sich anvertrauen konnte.
    Was letzteres anging, hatten
sie sogar recht, dachte er. Mehr als sie ahnten. Denn er war Miranda in der
vergangenen Nacht gefolgt. Olivers Hände begannen zu zittern, als er daran
dachte. Sie hatte ihn nicht gesehen, niemand hatte ihn gesehen. In dem Punkt
hatte er wirklich großes Glück gehabt. Und daß er es geschafft hatte, vor ihr
wieder zu Hause zu sein. Er hatte einen furchtbaren Schrecken bekommen, als sie
sich entschloß, doch noch die Polizei zu verständigen, aber im Grunde war es
wirklich egal.
    Oliver holte tief Luft und ging
die entscheidende Stunde noch einmal in Gedanken durch. Nein, es gab nichts,
was ihn verraten konnte. Keiner hatte ihn gesehen, und wenn er selbst den Mund
hielt, würde nie irgend jemand etwas erfahren. Er mußte einfach Ruhe bewahren,
dann konnte ihm nichts passieren.
    In ‹Macavity’s Weidegründen›
kehrte der Beamte, der Oliver befragt hatte, ins Wohnzimmer zurück. Auf einem
der aus Binsengeflecht gefertigten Stuhlsitze hockte ein riesiger Kater. Der
Beamte fand, daß er unangenehm aussah. Miranda Kenny kniete neben dem Tier, das
Gesicht in sein Fell gedrückt, als suche sie bei ihm Trost. Der jüngere der
beiden sah seinen Kollegen vielsagend an und zuckte mit den Achseln.
    «Möchten Sie, daß wir Ihnen
eine Tasse Tee machen, Mrs. Kenny?»

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