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Pringle vermisst eine Leiche

Pringle vermisst eine Leiche

Titel: Pringle vermisst eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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fragte der ältere.
    «Warum?» gab sie patzig zurück.
    Unter Schock stand sie
jedenfalls nicht, fand der Beamte, also konnte sie auch gefälligst ein paar
Fragen beantworten. «Wenn Sie vielleicht versuchen würden, uns den Angreifer zu
beschreiben. Sie brauchen nicht über die Tat selbst zu sprechen, wir möchten
auf keinen Fall, daß Sie sich aufregen, Sie verstehen.» Bei der mußte man
vorsichtig sein, die brachte es glatt fertig, ihm ein Verfahren wegen
Zeugeneinschüchterung anzuhängen. Er wartete. Sie schwieg. Vielleicht sollte er
doch ein wenig Druck machen. «Es wäre schön, wenn Sie uns zunächst einmal
erklären würden, wieso Sie um diese Zeit überhaupt unterwegs waren. Ich nehme
doch an, Sie waren allein?»
    Miranda Kenny sprang empört
auf. Ihr Gesicht war rot vor Zorn. Doch obwohl sie sich nicht geschminkt hatte
und ihre Haare etwas fettig waren und schlaff herunterhingen, fand der Beamte
sie überraschenderweise recht attraktiv. Wegen der Kunstgewerbeausstellung,
aber auch um ihre Rolle als weibliche Märtyrerin zu unterstreichen, hatte sie
betont schlichte Kleidung ausgewählt: ein einfaches indisches Baumwollhemd,
dazu Jeans und Clogs.
    «Ich war unterwegs, weil ich
Umweltschutzaufgaben wahrzunehmen hatte», fuhr sie ihn an. «Aber darunter
können Sie sich wahrscheinlich nichts vorstellen.»
    «Aber sicher doch!» Und der
Beamte sprach die Wahrheit. Er war schon so lange bei der Polizei, da hat er es
auch immer wieder mit Umweltschützern zu tun gehabt. Einige waren zu Anfang
ziemlich fanatisch gewesen, aber die meisten waren im Laufe der Jahre, weil sie
Geld verdienen und Kinder großziehen mußten, vernünftig geworden. Für Mrs.
Kenny bestand offenbar weder die eine noch die andere Notwendigkeit, sie konnte
sich ganz ihren ‹Aufgaben» widmen. Feminismus, Ökologie und versuchte
Vergewaltigung, das wurde ein schwieriger Fall, das sah er jetzt schon. Das
beste war vermutlich, die Sache von Anfang an energisch anzugehen. «Aber jetzt
bitte zu Ihren Angaben. Größe?»
    «Wie bitte?»
    «Wie groß war der Täter Ihrer
Meinung nach? Welche Haarfarbe hatte er, gibt es irgendwelche Besonderheiten,
an die Sie sich erinnern können? Was für Kleidung trug er?»
    «Es war doch stockdunkel!»
    «Aber Sie können uns sagen, wo
der Angriff stattgefunden hat?»
    «Unter der Autobahnbrücke. Ich
kümmere mich um die Froschkolonie dort. Auch Frösche haben nämlich Rechte»,
setzte sie aggressiv hinzu, aber ihre Stimme klang ein wenig unsicher. «Wir
stehen kurz vor der Paarungszeit, das ist immer ein besonders kritischer
Abschnitt...» Eine Spinnerin, dachte der Beamte, aber so ganz abwegig fand er
ihr Anliegen eigentlich auch wieder nicht.
    «Tun Sie das regelmäßig — ich
meine, sich um die Frösche kümmern?» wollte er wissen.
    «Nur während der letzten vier
Wochen. Ich bin allerdings nicht oft nachts unterwegs.» Genausowenig wie die
Frösche, dachte er. Irgendwie hatte ihr Engagement doch auch etwas
Lächerliches. «Und daß Sie sich um die Frösche kümmerten — das war im Dorf wohl
allgemein bekannt?»
    «Ja schon, aber — er war nicht
aus dem Dorf!» Ihr Ton verriet Gewißheit gepaart mit Verachtung. Sie ist ein
Snob, dachte der Beamte verärgert. Daß es vielleicht irgendein Dorflümmel
gewesen ist, macht ihr mehr aus als die Tat an sich.
    «Und woher wollen Sie das
wissen?» fragte er kühl.
    Sie zögerte. «Die Art, wie er
redete... die Männer hier sprechen anders.»
    «Ach! Ihr Mann sagte mir, der Täter
habe ziemlich obszöne Ausdrücke gebraucht, aber seine Redeweise wirkte trotzdem
auf Sie durchaus gepflegt, ja?»
    «Man hörte, daß er gebildet
war», sagte sie trotzig.
    «Mehr können Sie uns nicht
sagen?» Das wechselseitige Ressentiment stand wie eine Wand zwischen ihnen.
    «Ich ziehe es vor, alles, was
ich jetzt noch zu sagen habe, der Beamtin zu erzählen.»
    «Wie Sie wünschen, Madam.» Er
stand auf, der zweite Beamte tat es ihm gleich. «Gibt es jemanden, den wir
verständigen sollen? Eine Freundin vielleicht? Irgend jemand, der bei Ihnen
bleibt, bis die Beamtin eintrifft?»
    «Sie wollen mich also auch
verlassen?» Sie lächelte abschätzig.
    «Es hat wenig Zweck, daß wir
uns weiter unterhalten, da Sie offenbar nicht bereit sind, uns mehr
Informationen zu geben. Ich denke, daß Sie hier im Haus absolut sicher sind,
vorausgesetzt, Sie schließen alle Türen ab und öffnen nur Personen, die Sie
kennen. Wir werden draußen im Auto sitzen und das Haus so lange

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