Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pringle vermisst eine Leiche

Pringle vermisst eine Leiche

Titel: Pringle vermisst eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
Vom Netzwerk:
CORDIALE, und statt Lady
Veras Sopran erklang jetzt aus dem Inneren die rauchige Stimme von Marlene Dietrich:
     
    Vor
der Kaserne, vor dem großen Tor
    stand
eine Laterne, und steht sie noch davor,
    so
woll’n wir da uns wiedersehen,
    bei
der Laterne woll’n wir steh’n
     
    wie
einst Lili Marleen.
    Wie
einst Lili Marleen.
     
     
     

Kapitel
fünf
     
    Als er aufwachte, war es schon
später Nachmittag. Er fühlte sich zerschlagen, und die Erinnerung an das, was
er heute früh erlebt hatte, begann ihn erneut zu quälen. Die Stimmen, die vom
Anger zu ihm heraufdrangen, klangen müde und etwas gereizt. Alle notwendigen
Vorbereitungen waren getroffen, jetzt konnte man nichts mehr tun, nur noch
hoffen, daß das Fest ein Erfolg würde.
    Mr. Pringle beobachtete von
seinem Fenster aus, wie die Planen des Zelteingangs noch einmal festgezurrt
wurden. Die Wachmänner begannen, ihre Runden zu drehen; aber den Constable
konnte er nirgends entdecken. Vermutlich war die Leiche bislang nicht wieder
aufgetaucht, und man hatte es deshalb für richtig befunden, ihn abzuziehen.
    Wenn die Tote bis morgen abend
verschwunden blieb, so wäre ihm das ganz recht, dachte Mr. Pringle. Dann könnte
er wenigstens wie geplant aus Wuffinge abfahren. Was den heutigen Abend anging,
so hoffte er, daß er genug Energie aufbringen würde, um bis zur Kirche zu
laufen, da sein Bedürfnis nach einem Gespräch sich nach seinem Schlaf noch
verstärkt hatte. Er hatte einen bösen Traum gehabt, in dem Mrs. Leveret das
Opfer von Miranda Kenny gewesen war.
    Über den Anger hinweg sah er an
der Tür des Woodbine Cottage eine bekannte Gestalt — Felicity Brown war
offenbar vom Blumenpflücken zurück. Mr. Pringle griff nach seinem Hut.
     
    «Oh, hallo...» In ihrer
freundlichen Begrüßung schwang ein Unterton von Neugierde mit. Ihr Lächeln war
eine Spur zurückhaltender als am Tag zuvor. «Ich habe die unglaublichsten
Gerüchte gehört... aber kommen Sie doch bitte herein. Wie geht es Ihnen — oder
sollte ich das lieber nicht fragen? Ted glaubte heute morgen, er müßte sterben.
Möchten Sie eine Tasse Tee?»
    «Nein, vielen Dank.»
    «Ich fühle mich völlig
ausgedörrt. In meinem ganzen Leben bin ich noch nie so weit gelaufen... und in
so viele Sumpflöcher getappt. Ich habe ganz weiche Knie.» Sie zog sich die
Gummistiefel aus und bedeutete ihm, schon einmal ins Wohnzimmer vorzugehen.
«Und jetzt möchte ich Ihre Version der Geschehnisse hören», rief sie von der
Küche her. «Allem Anschein nach hat man Sie nicht als Angreifer von Miranda
Kenny verhaftet — so lautete nämlich eines der Gerüchte —, aber was mich viel
mehr interessiert... was steckt wirklich hinter dieser merkwürdigen Geschichte,
Doris Leveret sei ermordet worden? Das ist doch wohl nur ein schlechter Scherz,
oder?»
    Sie stand auf der Schwelle
zwischen Küche und Wohnzimmer, hin und her gerissen zwischen Neugier und der
Angst vor dem, was sie hören würde.
    «Heute morgen gegen vier Uhr
machte ich einen Spaziergang, weil ich Kopfschmerzen hatte und nicht mehr
einschlafen konnte», begann Mr. Pringle ruhig. «Auf dem Rückweg warf ich einen
Blick ms Zelt und fand dort Mrs. Leveret. Sie war ermordet worden. Ich lief
zurück zum Pub, um die Polizei zu verständigen. Leider dauerte das etwas. Als
sie auf dem Anger eintrafen und ins Zelt gingen, um die Leiche anzusehen, war
sie verschwunden.»
    Felicity war blaß geworden.
    «Es ist also tatsächlich wahr?
Die Leute, mit denen ich heute nachmittag gesprochen habe, meinten alle, das
ganze sei nur ein übles Gerücht, weil es so... so unwahrscheinlich klang.»
    «Schlechte Nachrichten zu
begreifen braucht immer seine Zeit», sagte Mr. Pringle.
    «Aber... warum bloß? Wäre es
nicht doch möglich, daß sie vielleicht einen Herzanfall gehabt hat?»
    Wenn schon Tod, dann doch bitte
still und friedlich, dachte Mr. Pringle und schloß sich in diesen Wunsch mit
ein.
    «Nein, sie ist umgebracht
worden. Daran gibt es keinen Zweifel.»
    Felicity schluckte. «Doris war
hier nicht sonderlich beliebt, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß
irgend jemand sie so gehaßt hat, daß er sie tötete. Und doch ist es geschehen.
Wer tut nur so etwas?»
    Diese Frage beschäftigte Mr.
Pringle, seit er die Leiche heute früh gefunden hatte, aber er wußte keine
Antwort. Felicity schnaubte sich die Nase und ging dann in die Küche zurück, um
Tee zu machen. Seufzend lehnte Mr. Pringle sich im Sessel zurück und schloß die
Augen. Als er sie wieder

Weitere Kostenlose Bücher