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Pringle vermisst eine Leiche

Pringle vermisst eine Leiche

Titel: Pringle vermisst eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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kräftiger Mann?» Sie senkte den Kopf. Offenbar war ihr
das Thema sehr unangenehm. «Alles, was ich sagen kann, ist, daß er von hinten
kam — und völlig unerwartet. Ich kann eigentlich sehr gut auf mich selbst
achtgeben, aber wenn ein Mann zu solchen Tricks greift...»
    Mr. Pringle war verblüfft. Wie
stellte sich diese aufgeklärte junge Frau vor, daß ein potentieller
Vergewaltiger auftrat? Miranda bemerkte sein Erstaunen nicht. Sie war zu sehr
mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt.
    Hatte es wirklich in der
vergangenen Woche hier in Wuffinge einen Mord gegeben? Je mehr sie darüber
nachdachte, um so unheimlicher wurde ihr zumute. Es kostete sie Anstrengung,
die Unterhaltung mit Mr. Pringle fortzuführen. «Dann hat der Mann, der mich
angegriffen hat, womöglich noch nach einem weiteren Opfer gesucht... Und Doris
gefunden.» Aber so etwas hätte der Mann, an den sie dachte, doch nicht getan.
Oder? Ein Schauder erfaßte sie. «Doris war älter als ich und körperlich nicht
so gewandt», sagte sie leise. «Ich konnte ja kämpfen.»
    Mr. Pringle nickte.
    «Wer außer Ihnen und der
Polizei weiß bis jetzt überhaupt von Doris’ Ermordung?» fragte sie
unvermittelt.
    «Jeder, der heute in den Hope
& Anchor geht. Ich mußte es Syd sagen, er hatte schon zuviel
mitbekommen.» Mr. Pringle wollte gehen, aber nicht, ohne daß er sie in guten
Händen wußte. «Im Dorf wird man sicher inzwischen Bescheid wissen. Soll ich
jemanden anrufen? Ich bin sicher, Ihre Freunde werde Ihnen jetzt beistehen
wollen.»
    «Was für Freunde?» fragte sie
in abschätzigem Ton. «Hier gibt’s doch nur Idioten.» Plötzlich schien ihr ein
Gedanke zu kommen. «Ich will um Ihretwillen nur hoffen, daß Doris’ Leiche bald
auftaucht, sonst stehen Sie voll als der Trottel da.»
    Sie war wieder ganz die alte,
offenbar hatte sie das Schlimmste hinter sich, dachte Mr. Pringle. Da konnte er
sich ja beruhigt verabschieden.
     
    Auf dem Anger herrschte
geschäftiges Treiben. Man war dabei, die Lautsprecher zu testen, und eine
Jugendblaskapelle spielte schmissige Weisen. Noch nie hatte er so viele Leute
in Wuffinge gesehen. Ihm war allerdings nicht danach, jetzt irgendwelchen
fremden Leuten zu begegnen, und außerdem brauchte er Ruhe, um seine Gedanken zu
ordnen. So nahm er den längeren Weg um den Anger herum.
    «Nein, was für ein glücklicher
Zufall.» Es war die junge Frau aus Reynard’s Covert. Sie lächelte ihm gewinnend
zu, als bedeute es das Glück ihres Lebens, gerade ihm hier begegnet zu sein.
Mr. Pringle ging das Herz auf — wenn er bloß ihren Namen noch wüßte!
    «Wir sind uns Dienstag in der
Kirche begegnet. Ich bin Michelle Brazier.»
    «Ja, natürlich.»
    «Ich habe gehört, Sie suchten
ein Haus. Unseres steht zum Verkauf.»
    O nein!
    «Also, ehrlich gesagt, habe ich
mich bis jetzt noch nicht eindeutig entschieden...»
    «Ach bitte», sie zeigte zwei
entzückende Grübchen, «kommen Sie doch einfach mit und sehen es sich mal an.
Vielleicht ist es ja genau das, was Sie wollen.» Er folgte ihr, höflich, aber
auf der Hut.
    «Möchten Sie einen Kaffee?»
    «Nein, danke.» Sein
Verdauungstrakt hatte in letzter Zeit schon viel zu viel aushalten müssen.
    «Ich weiß, daß Sie sich das Balmoral angesehen haben», sagte sie, «aber das ist ja auch für eine Familie gedacht.
Unseres hier ist gerade richtig für einen allein oder für ein Paar.»
    Er hätte es nicht für möglich
gehalten, daß es noch kleinere Zimmer geben könnte als die in Balmoral, doch hier im Windsor mußte er sich eines Besseren belehren lassen. Der
Grundriß der beiden Häuser schien identisch zu sein. Er überlegte, was er
Michelle sagen konnte, ohne sie einerseits zu beleidigen oder andererseits
durch zu großes Lob Hoffnungen in ihr zu wecken, die er doch nicht würde
erfüllen können.
    «Sie haben hier ein sehr
behagliches Heim geschaffen... es paßt alles so gut zusammen.»
    «Ach, hören Sie bloß auf!»
Michelle sah ihn unglücklich an. «Es sieht immer noch alles furchtbar nach Ersatz aus.» Was sollte er dazu sagen? «Wir ziehen demnächst in eine Scheune. Ich kann
es kaum abwarten.» Ihre Augen leuchteten vor fanatischer Entschlossenheit. «Wir
haben großes Glück gehabt, so schnell etwas zu finden. Und dazu noch am
richtigen Ende von Wuffinge.» Deubel auch — welches Ende das wohl sein mochte?
«Sobald ein Kaufvertrag unterschrieben ist, sind wir hier raus», beteuerte sie.
    Mr. Pringle betrachtete betrübt
die Regale, Einbauschränke und

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