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Pringle vermisst eine Leiche

Pringle vermisst eine Leiche

Titel: Pringle vermisst eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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Blendleisten. Sollte er Michelle verraten, daß
der einzige Weg, die Kennys zu überrunden, darin bestände, sich einzugraben und
das Leben der Würmer zu teilen? Aber dafür war ja vielleicht später noch Zeit.
Fürs erste wollte er versuchen, sie durch Lob etwas aufzumuntern. «Man sieht,
daß Sie hier hart gearbeitet haben.»
    «Das nächste Mal mache ich
keine Fehler mehr. Nie wieder passende Umrandungen, und ganz bestimmt kein
Plastik, das habe ich mir geschworen.»
    Und keine Behaglichkeit, keine
wirkungsvolle Isolierung, keine Wärme, dachte Mr. Pringle.
    «Waren Sie übrigens schon bei
Miranda?» wollte sie wissen. «Ein phantastisches Haus, finden Sie nicht?»
    «Auf jeden Fall ziemlich...
ungewöhnlich», sagte er vorsichtig.
    «Wie gefiel Ihnen denn die
Bänkelsänger-Galerie?»
    «Die habe ich, glaube ich, gar
nicht gesehen.»
    «Doch, bestimmt. Oben, am Ende
der Treppe.»
    «Ah...» Deshalb also die Laute.
    «Wir werden auch eine Galerie
haben», erklärte sie stolz, «aber mit einer Harfe. Ich will ja Miranda nicht
alles nachmachen.»
    Während er hinter ihr die
Treppe zum ersten Stock hinaufstieg, überlegte er angestrengt, was er sagen
könnte, ohne ihr zu nahe zu treten. Es war wirklich nicht einfach.
    «Was für ein praktischer
Arbeitsraum!» Mit dieser Äußerung konnte er doch wohl kaum Anstoß erregen,
hoffte er.
    «Ich häkele Überwürfe für
unsere Betten.» Polyester-Bettdecken kamen natürlich nicht mehr in Frage. In
einem Korb in der Ecke bemerkte er zwei Knäuel Wolle. «Sie stricken also auch.
Offenbar sind Sie sehr vielseitig begabt.»
    Michelle wurde rot. «Nur ein
Paar Fäustlinge und eine Mütze.» Und die Mütze natürlich genau in den gleichen
Farben wie die von Miranda, stellte Mr. Pringle fest. Er war nicht überrascht.
«Nun, was halten Sie davon?» wollte sie wissen.
    «Mh?»
    «Von unserem Haus.
Einbauschränke, Teppiche und so weiter sind im Preis eingeschlossen.»
    «So, so... nun, wie ich Ihnen
vorhin schon zu erklären versucht habe...» begann er, doch sie hatte gerade
entdeckt, daß es später war, als sie angenommen hatte.
    «Verdammt, ich muß sofort los
zur Kirche. Ich soll dort bis vier Uhr Doris Leveret und Joyce Parsons helfen,
danach kommt dann Tracy. Überlegen Sie sich die Sache mit dem Haus in aller
Ruhe, und dann rufen Sie mich an.»
    «Daß Mrs. Leveret in der Kirche
ist, ist ganz ausgeschlossen!» sagte er scharf.
    Michelle sah ihn konsterniert
an. «Na ja, sie ist vermutlich noch beim Blumenpflücken, aber trotzdem ist sie
diejenige, die für das Ganze verantwortlich ist.»
    «Sie haben sie heute aber noch
nicht gesehen, oder?»
    «Nein, ich glaube nicht.
Wieso?»
    Er machte eine abwehrende
Handbewegung.
    «Eigentlich hätte ich viel
lieber Miranda geholfen, aber sie hat mich ja nicht gefragt.»
    «Dann gehen Sie doch einfach um
vier Uhr, wenn Sie in der Kirche fertig sind, ins Zelt. Ich bin sicher, Mrs.
Kenny könnte ein zweites Paar Hände gut gebrauchen.»
    «Aber ich möchte, daß man mich
darum bittet», sagte sie und machte eine Schnute.
    Ihr kindisches Verhalten war
ihm plötzlich unerträglich. «Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgendeine der
anderen Damen ihre Hilfe von derartigen Überlegungen abhängig machen würde»,
sagte er nicht besonders freundlich. Um ein Haar hätte er hinzugefügt: «Werden
Sie endlich erwachsen», bremste sich aber noch rechtzeitig. «Mrs. Kenny hat im
Moment eine ungeheuer große Arbeitsbelastung.» Und obendrein hatte sie letzte
Nacht noch ein höchst unangenehmes Erlebnis, dachte er.
    «Vielleicht folge ich Ihrem Rat
und gehe hin», sagte Michelle, während sie die Treppe hinuntereilte. «Mal
sehen, wie ich mich fühle.»
    Mr. Pringle war froh, daß er
erlöst war.
    Als Mr. Pringle den Hope
& Anchor betrat, wurde es sofort schlagartig totenstill. Alle
wußten natürlich Bescheid. Syd konnte es nicht lassen und rief ihm zu: «Na,
haben sie die, Sie wissen schon was, gefunden?»
    «Keine Ahnung», entgegnete Mr.
Pringle und ging gleich nach oben. Die Säufer an der Theke tauschten
verständnisinnige Blicke — ein Spinner, ganz klar.
    Von einem der rückwärtigen
Fenster erblickte Mr. Pringle zu beiden Seiten des Bunkers eine Fahnenstange —
Syds Beitrag zum Blumenfest. Von der einen wehte der Union Jack, von der
anderen die Hakenkreuzfahne. Die hatte bestimmt Syds Vater als Beute aus dem
Krieg mitgebracht, dachte Mr. Pringle.
    Zwischen den beiden Masten war
ein Tuch gespannt mit der Aufschrift VIVE L’ENTENTE

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