Pringle vermisst eine Leiche
angestrengt vor sich in die Gläser. «Nun, ihr alle wißt, glaube ich,
was meinem Freund Mr. Pringle heute morgen hier passiert ist: Er hat draußen im
Zelt auf dem Anger eine Leiche entdeckt, und während er hierher zurückgelaufen
ist, um es der Polizei zu melden, hat irgend jemand sie fortgeschafft.» Ted sah
sie alle der Reihe nach an, dann wandte er sich an einen verbiestert aussehenden
alten Mann: «Hast du da vielleicht deine Hände im Spiel gehabt, Spiker?» wollte
er wissen. Er war Wuffings ältester Einwohner und äußerte sich schon seit
Jahrzehnten nur noch sehr sporadisch. Immer wenn er erregt war, lief ihm der
Speichel das Kinn hinunter. So auch jetzt.
«Hör auf, ihn zu ärgern», rief
einer der Männer, «sonst bringst du ihn noch um. Du denkst vielleicht, weil
Spiker nicht redet, kapiert er nicht, was du sagst, aber da bist du im Irrtum:
Er versteht alles.»
«Nun, was ich eigentlich sagen
wollte, ist auch nur folgendes: Mein Freund hier ist es nicht gewesen. Aber ich
wette, daß eine ganze Reihe von euch hier genau das Gegenteil behauptet hat.»
Sie zeigten keinerlei Reaktion. Mr. Pringle war diese Verteidigung seiner
Unschuld furchtbar peinlich, er wäre am liebsten unsichtbar gewesen. Aber Ted
Brown war noch nicht fertig. «Und der Angriff auf Mrs. Kenny geht auch nicht
auf sein Konto, das weiß ich zufällig ganz genau. Mr. Pringle ist nämlich
gestern abend bei uns zu Besuch gewesen und ein paar Minuten, nachdem er uns
verlassen hat, hier im Pub eingetroffen. Du wirst das doch bestätigen können,
Syd, nehme ich an?» Dem Wirt, der noch vor ein paar Minuten laut, so daß alle
es hören konnten, erklärt hatte, daß er diesen Pringle jeder Untat für fähig
halte, fehlten plötzlich die Worte.
«Ja», sagte Ted und tat, als ob
er sich die Situation von gestern abend noch einmal vergegenwärtigte, «wir
haben Mr. Pringle an unserer Haustür ‹Gute Nacht› gesagt und ihm dann
nachgesehen, wie er über den Anger davonging. Zwei, drei Minuten später hörten
wir ihn dann singen — wenn man das ‹singen› nennen will, Sie entschuldigen,
alter Freund —, und schließlich haben wir dann noch mitbekommen, wie ihm unser
Wirt hier die Tür aufmachte. Ich nehme doch an, daß du hinter ihm dann gleich
abgeschlossen hast, Syd, oder?» Ted leerte sein Bier, wischte sich mit dem
Handrücken über den Mund und fuhr dann fort: «Was bedeutet, daß es einer aus
dem Dorf, vielleicht sogar einer von euch war, der zuerst Mrs. Kenny überfallen
und dann Doris Leveret umgebracht hat.»
Nachdem er nun gesagt hatte,
was seiner Meinung nach zu sagen war, versetzte er Mr. Pringle einen
aufmunternden Schlag auf den Rücken: «Ich dachte, es wäre an der Zeit, einmal
Klartext mit ihnen zu reden. Konnte ja schließlich nicht zulassen, daß die
Schuld auf Sie abgewälzt würde. Wenn so etwas passiert, dann hilft nur eins:
zusammenhalten.»
Kaum waren die Browns gegangen,
erhob sich ein wütendes Gemurmel. Mr. Pringle hielt es deshalb für ratsam,
möglichst schnell nach oben zu verschwinden und die Tür seines Zimmers heute
nacht abzuschließen. Sonst führte Ted Browns wohlmeinende Aufklärungsarbeit
womöglich noch zum ersten bekannten Akt von Lynchjustiz in der
vielhundertjährigen Geschichte von Wuffinge.
Wie üblich an Festtagen, war es
morgens bewölkt. Mr. Pringle hatte unruhig geschlafen und war zeitig
aufgewacht. Während er zum letzten Mal Syds frugales Frühstück einnahm, zwei
alte Brötchen und plörrigen Kaffee, polterten plötzlich zwei flachsblonde
Riesen in den Raum. Sie warfen Mr. Pringle einen kurzen, uninteressierten Blick
zu und setzten sich dann an einen Tisch in der Nähe des Fensters. Das müssen
Schweden sein, dachte Mr. Pringle. Auf dem Parkplatz des Pubs stand seit ein
paar Tagen ein Volvo mit schwedischer Nummer. Der eine der beiden schnippte ein
paarmal mit den Fingern, um bedient zu werden. Syd kam empört aus der Küche
geschossen: «Was soll das?»
«Zweimal englisches Frühstück.
Bitte schnell.» Syd blieb der Mund offen stehen.
«Ihre... Zimmernummer?» fragte
er.
«Drei.» Das also sind die
Flitterwöchner, dachte Mr. Pringle amüsiert.
Mr. Pringle bat um die
Rechnung. Er strich eine Reihe phantasievoller Einzelposten, bevor er sie
beglich, und ging dann hinaus vor die Tür, um auf Gavin zu warten. Das Zelt sah
ausgesprochen festlich aus, besonders nachdem sich jetzt über allen vier
Eingängen die rotweiß gestreiften Baldachine wölbten. Die Kartenverkäufer
hatten
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