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Pringle vermisst eine Leiche

Pringle vermisst eine Leiche

Titel: Pringle vermisst eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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hatte. Nachdem die ersten dreißig Eintrittskarten verkauft
waren, gab Joyce das vereinbarte Zeichen.
    Der Grüne Mann bedeutete der
ersten Gruppe zu kommen. «Gehen Sie stetig weiter, aber hetzen Sie auch nicht,
es gibt viel zu sehen.» Die Stimme war tief und wohltönend. Wen immer sie sich
da geholt haben mochten, dachte Mr. Pringle, aus Wuffinge stammte er jedenfalls
nicht.
    Während Mr. Pringle mit der
Schlange im Schrittempo vorrückte, versuchte er, die Einkünfte zu überschlagen.
Pro Kopf 2.50 Pfund (Kinder 1.00 Pfund) mal einer Schlange, drei, vier Menschen
breit und ungefähr zwei Kilometer lang — das waren hier und jetzt schon an die
zweitausend Pfund. Hinzu kamen noch die Einnahmen von den Parkgebühren und den
Standmieten. Wenn der Andrang so blieb, dann würden sie bis zum Ende der Woche
leicht fünfundzwanzigtausend Pfund und mehr einnehmen.
    Im Innern der Kirche warnten
die hellen Stimmen der Pfadfinder jeden Besucher, auf die Stufen zu achten. Das
Kirchenschiff selbst war durch einen Vorhang abgetrennt worden. Sobald man ihn
durchschritt, eröffnete sich dem Betrachter ein ganz und gar überraschender
Anblick.
    Mr. Pringle staunte. Die dicken
Mauern waren von Efeu und anderem Blattwerk völlig bedeckt, und die fünf hellen
Ovale, die man ausgespart hatte, fielen vor diesem Hintergrund besonders ins
Auge. Die Tische mit ihrer Überfülle von Wiesenblumen aller Art hinderten die
Besucher, ganz wie beabsichtigt, zu nahe an die Wandgemälde heranzutreten.
    Mr. Pringle sah erst jetzt, daß
auch die Decke mit Zweigen verkleidet worden war, die Fenster lagen hinter
Farnen verborgen. Bei dem ringsum herrschenden kühlen Dämmerlicht lenkte das
gleißende Licht der Punktscheinwerfer so die gesamte Aufmerksamkeit auf die
Fresken. Die drei auf der linken Seite waren strahlendhell erleuchtet.
    Aufgrund der intensiven Farben
war es, wie Mr. Pringle befriedigt feststellte, gar nicht notwendig, dichter
heranzugehen. Das erste Gemälde zeigte, eingerahmt von gewundenen und
verflochtenen Ornamenten im keltischen Stil, Noah, wie er mit seiner Familie
und einem Haufen Tiere eine recht wacklig aussehende Arche bestieg, dabei
wohlwollend beobachtet von einigen merkwürdig aussehenden Göttern im
Hintergrund. Mr. Pringle lauschte amüsiert den verschiedenen Bemerkungen.
    «Ah, sieh mal, ist das nicht
aufregend? Einfach toll!»
    «Also, ich glaube, der hat von
Seefahrt nicht viel verstanden... wie die Arche konstruiert ist, säuft
sie doch, sobald sie im Wasser ist, gleich ab.»
    «Das muß ein Mönch gemalt
haben, Dad. Die ersten Christen hier waren nämlich Mönche.»
    «Ob das wohl stimmt, daß dies
die ältesten Gemälde in England überhaupt sind?»
    Genau aus diesem Grund waren
natürlich die meisten gekommen, dachte Mr. Pringle. Sie waren nicht an den
Gemälden selbst interessiert, sondern betrachteten sie als faszinierende
Bindeglieder zwischen dem Heute und einer fernen Vergangenheit. Immer wieder
hörte Mr. Pringle, wie einzelne Betrachter Ähnlichkeiten zwischen den
biblischen Gestalten und irgendwelchen Verwandten oder Freunden feststellten.
    «Sieh dir mal das Gesicht von
dem da an, Jimmy. Erinnert dich das nicht an jemanden?»
    «Du meinst deinen Onkel Phill?
Kann ich nicht genau sagen, ich hab ihn ja noch nie nackig gesehen...»
    «Pst. Wir sind doch hier in
einer Kirche.»
    Das zweite Bild blieb Mr.
Pringle rätselhaft. Er war nicht vertraut genug mit biblischen Inhalten, um die
Anspielungen deuten zu können, doch auch dies war ein Meisterwerk. So gab er
sich ganz der Betrachtung hin, bis ihm durch einen leichten Klaps auf die
Schulter bedeutet wurde weiterzugehen.
    Das nächste Wandgemälde hatte
er schon gesehen — es war die Darstellung des Gartens Eden. Während er einige
Details genauer betrachtete, schnappte er verschiedene Kommentare auf.
    «Also dieser Teufel hat ja
vielleicht tückische Augen!»
    «Sehen die beiden nicht super
aus?»
    «Unglaublich!»
    Im Vergleich zu den drei
Fresken auf der linken Seite waren die beiden rechts eine Enttäuschung. Hinter
den dunklen Plexiglasscheiben waren kaum Einzelheiten auszumachen. Mr. Pringle
kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung, dann mehr erkennen zu können, aber
die Beleuchtung auf dieser Seite war einfach zu schwach. Ein zweiter Grüner
Mann, weniger gebieterisch, aber genauso muskulös wie der erste, beantwortete
geduldig alle Fragen der Besucher.
    «Wir nehmen an, die Geschichte
vom Sündenfall. Der unterliegende Putz ist in sehr schlechtem

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