Pringle vermisst eine Leiche
Leonard und Doris stünde? Mr. Pringle wurde das Gefühl nicht
los, daß Ted nicht ganz offen war.
Sie hatten den ‹Liebespfad›
erreicht und gingen jetzt jeweils zu zweit, die Männer auf Mavis’ Wunsch vorne,
die Frauen hinterher. «Für den Fall, daß es hier doch wilde Tiere gibt», hatte
sie erklärt.
«Können Sie mir zeigen, wo der
Major gefunden wurde», fragte Mr. Pringle Ted.
«So ungefähr, ja. Len Runkle
hat ihn gefunden, als er morgens zur Arbeit wollte. Er ist nämlich Gärtner und
für die Instandhaltung und Pflege des Gefallenen-Ehrenmals und des Friedhofs
zuständig.» Mr. Pringle nickte, das wußte er ja schon von Eddie. Nach ein paar
Schritten blieb Ted stehen. «Hier etwa muß er gelegen haben.» Die Stelle lag
knapp fünf Meter vor der Autobahnbrücke, am äußersten Rand des Weges. Sie
gingen weiter. Unter der Brücke warf Mr. Pringle einen forschenden Blick auf
den Pfeiler, aber der Beton hatte zu viele Unebenheiten, als daß er hätte sagen
können, ob eine davon von einer Kugel herrührte. Ted sah ihn von der Seite an:
«Der Tod des Majors scheint Sie sehr viel mehr zu beschäftigen als der Mord an
Doris Leveret, habe ich recht?»
Mr. Pringle nickte. «Ja, ich
schiebe den Gedanken an ihren Tod immer so schnell wie möglich wieder
beiseite.»
«Das kann ich gut verstehen»,
sagte Ted mitfühlend, «ich wäre nicht gern an Ihrer Stelle gewesen. Übrigens
auch nicht gerne an Lens Stelle. Ich fand es schon schlimm, heute von der
Polizei verhört zu werden. Aber eine Leiche zu entdecken... Oh, sehen Sie mal
da...» Von der Kirche her kam ihnen eine hochgewachsene Frau in Jeans und
Pullover entgegen. «Erstaunlich, daß Oliver sie abends einfach so allein
herumlaufen läßt, nach allem, was passiert ist», sagte Ted.
«Wirst du wohl still sein»,
schalt Felicity leise. «Sie wäre tödlich beleidigt, wenn sie dich hören würde.
Ihre Unabhängigkeit geht ihr über alles.»
Mrs. Kenny war jetzt dicht
herangekommen. «Guten Abend, Miranda!»
«Oh, hallo!» Sie blieb zögernd
stehen.
«Sag mal, was hat uns das Zelt
eigentlich an Einnahmen gebracht?» fragte Felicity unbefangen. «Bestimmt mehr,
als wir je zu träumen wagten, stimmt’s?»
«Ich glaube nicht, daß ich
berechtigt bin, darüber Auskunft zu geben», sagte die Angesprochene steif.
«Völlig korrekt, völlig
korrekt», sprang Ted ihr zur Seite. «Ich an Ihrer Stelle würde mit niemandem
darüber sprechen, ehe nicht Reg alles sicher in einem Nachttresor untergebracht
hat.» Miranda sah unsicher von einem zum andern, die unerwartete Zustimmung war
ihr nicht ganz geheuer.
«Das will er gleich als erstes
tun, sobald er die Experten an den Zug gebracht hat», sagte Felicity. «Weißt du
eigentlich schon», wandte sie sich an Miranda, «wie ihr Urteil ausgefallen ist?
So allmählich könnte man es uns doch mitteilen, finde ich. Ich wüßte wirklich
gern, ob die Fresken nun aus der Zeit Wuffas stammen oder nicht.»
Plötzlich schien es, als ob
Miranda Mühe hätte, die Fassung zu bewahren, ihre Stimme zitterte.
«Im Moment sind sie noch bei
Reg und essen Abendbrot. Ich durfte nicht mit ihnen sprechen, und Reg wollte
mir nicht sagen, was sie herausgefunden haben.» Unvermittelt begann sie zu
weinen.
«Oh, du Arme...» sagte Felicity
hilflos.
Mirandas Tränen versiegten so
schnell, wie sie gekommen waren. «Ich glaube, ich halte hier nur alles auf»,
sagte sie und schritt ohne weiteren Gruß mit hoch erhobenem Haupt davon.
Felicity sah ihr kopfschüttelnd nach.
«Was war bloß mit ihr los? So
habe ich sie ja noch nie gesehen. Ob Reg grob geworden ist? Aber das kann ich
mir eigentlich gar nicht vorstellen.»
«Vielleicht war er, wie alle
anderen Beteiligten auch, nur etwas gereizt und übermüdet», meinte Mavis. «Da
kann es schon mal passieren, daß man sich im Ton vergreift.»
Miranda ging nicht auf direktem
Weg nach Hause, sie brauchte Zeit, um ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden.
Am Morgen war sie schweißnaß vor Angst aufgewacht. Jetzt war sie wütend, ihr
Stolz war verletzt. Sie hatte sich rächen wollen, doch man hatte den Spieß
umgedreht und sie gedemütigt.
Während sie den Vorgarten
hochschritt, sagte sie sich immer wieder, daß das Ganze nicht wirklich wichtig
gewesen sei. Was zählte, seien ihre Umweltprojekte und die Tatsache, daß jetzt
im Dorf sie allein den Ton angeben würde.
«Ich bin wieder da», rief sie,
nachdem sie das Haus betreten hatte. Stille. «Essen wir gleich Abendbrot?» Und
mit
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