Pringle vermisst eine Leiche
gereizter Schärfe: «Wo bist du?»
«Oben.»
Sie ging in die Küche. Es war
nichts vorbereitet. Wütend eilte sie die Treppe hinauf. «Du erwartest doch wohl
nicht, daß ich heute abend noch koche, nach so einem Tag!» Ihr Blick fiel auf den
geöffneten Koffer. «Sag mal, was machst du da eigentlich?»
«Sieht man das nicht?» Ihre
übliche Haltung überlegener Vernunft war plötzlich wie weggewischt.
«Was hast du vor?» fragte sie
mit schriller Stimme.
«Ich gehe weg. Für immer.»
«Das kannst du doch nicht tun!»
«Ach nein, warum nicht?» Er
hatte sich diesen Moment seit Wochen ausgemalt und genoß ihn. «Du hast nicht
geglaubt, daß ich je den Mut dazu hätte, oder? Nun, du siehst, du hast dich
geirrt.»
«Ich...» Miranda wußte nicht,
was sie darauf erwidern sollte.
«Nimm es nicht so schwer»,
sagte er mit herablassendem Lächeln, «du wirst schon klarkommen. Das Auto
kannst du behalten, ich habe es immer gehaßt. Und auch das Haus...» Oliver
setzte sich auf den Koffer, damit der Deckel zuging. «Ich habe mich hier nie
wohlgefühlt, aber das ist ja auch kein Wunder, es war ja eigentlich mehr eine
Kulisse für deine Selbstinszenierung als ein Heim. Wenn ich daran denke, wie
oft ich mir an diesem blödsinnigen Balken den Kopf gestoßen habe... Du glaubst
gar nicht, wie froh ich bin, daß das nun endlich vorbei ist.»
«Wo willst du denn hin?» fragte
sie und begann zu weinen.
«In eine hübsche kleine Wohnung
mit Gasheizung, Teppichboden und einer Gefriertruhe, die ich vollpacken werde
mit Steaks und Pommes.»
Ihre alte Verachtung für ihn
kam wieder hoch. «Du bist erbärmlich!»
«Vielleicht», sagte Oliver
gleichmütig und zuckte die Achseln. «Aber du nicht minder.» Er beschloß, die
Katze aus dem Sack zu lassen. «Ich habe dich in jener Nacht beobachtet.»
Miranda wurde von einem Moment zum andern totenblaß.
«Willst du zur Polizei gehen?»
«Das traust du mir zu?» Er zog
sich sein Jackett über und griff nach dem Koffer. «Das Taxi muß gleich kommen,
ich warte draußen.» An der Tür drehte er sich noch einmal um. Miranda endlich
einmal unterlegen und in Tränen zu sehen gab ihm Befriedigung. Nach all der
grandiosen Selbstüberschätzung holte sie jetzt endlich einmal die Realität ein.
«Neun Jahre habe ich dich ertragen, neun Jahre Scheinleben... Jetzt im
nachhinein frage ich mich wirklich, wie ich das so lange ausgehalten habe.»
Sie spürte den Abstand, den er
zu ihr hatte, sein kühler Ton ließ sie frösteln.
«Am schlimmsten ist, daß meine
Gefühle an dich nur verschwendet waren», sagte Oliver, «ich war total
hingerissen von dir, aber du hast mich nicht einmal wirklich gemocht, oder?»
Sie wollte widersprechen, aber ihr fiel nichts ein, was sie hätte sagen können.
«Nun, Miranda, jetzt ziehe ich die Konsequenzen, ich gehe.» Sie lief hinter ihm
die Treppe hinunter. «Du kannst mich doch nicht einfach so verlassen, nach all
dem, was hier passiert ist. Ich muß doch wenigstens wissen, wo ich dich
erreichen kann», rief sie und spürte, wie die Angst in ihr hochstieg.
«Du sollst mich gar nicht
erreichen — weder du noch die Polizei.»
Mirandas Angst schlug um in Wut.
Sie lachte höhnisch.
«Jetzt wäre es dir fast
gelungen, mir Angst einzujagen, und das war ja wohl auch deine Absicht. Dabei
ist das Ganze nur eine lächerliche Farce. Morgen früh hockst du wie immer
hinter deinem Schreibtisch in der Kreisverwaltung, zumindest da werde ich dich
unter der Woche ja wohl antreffen.»
«Ich muß dich leider
enttäuschen, Miranda. Freitag war mein letzter Arbeitstag dort. Ich hätte gern
schon früher aufgehört, aber ich mußte die Kündigungsfrist einhalten.» Damit
hatte sie nicht gerechnet.
«Du hast das alles also seit
langem geplant?» fragte sie fassungslos.
Er nickte. «Von dem Moment an,
als du dich mit diesem Kerl, der die Kirche restauriert, eingelassen hast. Du
kamst dir ja so gescheit vor... Dachtest, ich würde nichts merken.» Er zog
seinen Schlüssel aus der Tasche und legte ihn bedachtsam in die Mitte des
kleinen Garderobentisches. «Bitte beachte den Symbolgehalt meiner Handlung. Mit
der Rückgabe dieses Schlüssels entledige ich mich aller Verpflichtungen, die
sich aus unserem Zusammenleben ergeben. Und fang jetzt bloß nicht an zu
protestieren. Du kannst noch von Glück sagen — es gibt bestimmt nicht viele
ehebrecherische Frauen, die Haus und Auto behalten dürfen. Verdient hast du es
eigentlich nicht. Die Rückzahlung der Hypothek ist natürlich
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