Printenprinz
anzurufen. Er verspürte keine Lust, im Regen durch die Stadt bis zur Apotheke zu laufen.
6.
Wolfgang Landmann glaubte zunächst, er träume, als er die Handymelodie hörte. Aber sie ertönte beharrlich und er musste sich eingestehen, dass er tatsächlich angerufen wurde. Im Halbschlaf tastete er nach dem Gerät, war aber sofort hellwach, als sich die Polizei meldete. Das verhieß nichts Gutes, vermutete er.
Nackt schlich er ins Badezimmer, Elisabeth sollte nicht gestört werden nach dieser anstrengenden Nacht.
Die Nachricht von Peter von Sybars Ableben nahm er sachlich zur Kenntnis. Wenn er ehrlich gewesen wäre gegenüber der Polizei, hätte er sagen müssen, dass sich sein Bedauern in Grenzen hielt.
»Mord?« Er gab sich erstaunt, während er innerlich frohlockte. Aber er heuchelte Anteilnahme und platzierte sowohl Elisabeths als auch sein Alibi.
Landmann kam seinen Zielen immer näher. Elisabeth hatte er schon in der Tasche, jetzt brauchte er nicht mehr so sehr die scheinbare Distanz zu wahren, die sie der Öffentlichkeit vorspielen mussten. Die Printenfabrik stand ab sofort unter seiner Regie, er glaubte nicht, dass der Seniorchef noch einmal einsteigen würde, und es gab niemanden, der besser geeignet war als er.
Es gab aber noch Sachen, die musste er regeln, bevor andere darauf kamen.
Elisabeth von Sybar wurde langsam von einer melodischen Tonfolge eines Handys geweckt. Es war nicht ihres. Bei ihrem würde ›Pour Elise‹ erklingen. Sie brauchte einige Momente, um sich zu orientieren. Sie lag nackt im Doppelbett eines Hotelzimmers in Amsterdam. Der Mann, der die wenigen Stunden der erregenden Nacht neben ihr verbrachte hatte, war aufgestanden und mit dem Handy ins Badezimmer gegangen. Sie bekam nur Stimmengemurmel mit. Es musste noch sehr früh sein, für ihre Verhältnisse jedenfalls. Der Blick auf den Nachttisch bestätigte ihr, dass es gerade einmal sieben Uhr war.
»Was ist, mein Schatz?«, fragte sie, als Landmann ins Bett zurückkroch. Sie wollte ihren Arm um ihn legen, aber er schob ihn zurück.
»Ich glaube, wir bekommen ein Problem, Elisabeth. Dein Ehemann ist tot.«
»Kann nicht sein«, entfuhr es ihr spontan.
»Doch, heute Nacht auf der A 4. Unfall, sagt die Polizei, beziehungsweise Mord.«
Erschrocken fuhr Elisabeth auf und schaltete die Lampe auf der Konsole an.
»Irgendjemand hat etwas Schweres, einen Betonklotz oder einen Baumstamm oder so, von einer Brücke auf seinen Porsche geworfen. Volltreffer. Dein Ehemann war sofort tot, sagt die Polizei.«
Den ›Volltreffer‹ nahm Elisabeth ihm nicht übel. Ebenso wenig störte es sie, dass er immer nur von ihrem ›Ehemann‹ sprach. Er nannte Peter nie mit dem Vornamen. »Und was ist?«
»Die Polizei wollte wissen, ob ich Informationen geben kann. Aber ich habe ihnen gesagt, dass ich zu einem Familienbesuch in Niedersachsen gefahren bin und frühestens am Samstag nach Aachen kommen könnte. Dann wollten sie wissen, ob ich ihnen bei der Suche nach dir behilflich sein könnte. Du wärest nicht zu Hause.«
»Und?«
»Ich habe wahrheitsgemäß gesagt, dass du zu einem Museumsbesuch nach Amsterdam bist. Aber ich nicht wüsste, wie man dich erreichen könnte. Du würdest ebenfalls erst am Wochenende zurückkommen.«
Elisabeth lehnte sich wieder zurück und atmete tief durch. Jetzt ganz ruhig bleiben, sagte sie sich. Ihr Alibi war wasserdicht. Selbst wenn jemand herausbekommen würde, dass sie nicht in dem von ihr gebuchten Einzelzimmer nächtigte, sondern in einem Doppelzimmer, das Wolfgang unter einem anderen Namen reserviert hatte. Wolfgang würde immer behaupten, er sei bei seinem Bruder gewesen, und der würde immer bestätigen, dass er ihn besucht hatte.
Sie würde gewiss nicht um ihren Mann trauern. Das könnte ihr Vater machen. Sie würde eine lustige Witwe sein, eine Witwe mit einem rattenscharfen Liebhaber. Wie gut, dass Peter tot war.
»Wir müssen in die Firma«, schlug Landmann Elisabeth vor, als sie in seinen Armen liegend mit ihm über ihre gemeinsame Zukunft sprach. »Ich muss dort im Büro deines Ehemanns in den Akten stöbern. Darin befinden sich zwei Dinge, die können mir und damit uns gefährlich werden.« Er schlug vor, am Nachmittag, wenn sie ausgeruht waren, nach Aachen zurückzukehren und sich am Samstagmorgen im Büro umzusehen.
Probleme waren dazu da, sie zu lösen; besser war es, wenn Probleme erst gar nicht auftraten oder im äußersten Falle nicht erkannt wurden, sagte er sich. Er würde die Fäden in
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