Printenprinz
Mediziner.
Erst nach mehr als einer Woche, nachdem die Prellungen abgeklungen waren und Böhnkes Werte im Normbereich lagen, wurde das Schlafmittel abgesetzt. Dennoch musste Lieselotte noch einen ganzen Tag warten, bis er endlich die Augen öffnete und sie erstaunt ansah. Er rang sich ein Lächeln ab.
»Schön, dass du lebst«, flüsterte er in ihre Richtung.
Lieselotte wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Lange hatte sie überlegt, was sie ihrem Commissario sagen würde, wenn er wieder bei Bewusstsein war. Aus der anfänglichen Beschimpfung war eine Ermahnung geworden und letztlich die Erkenntnis, dass Böhnke sich nicht davon abhalten würde, herauszufinden, wer den Anschlag auf ihn verübt hatte. Sie hatte gehofft, dass die Polizei das Verbrechen aufgeklärt hätte, bevor Böhnke wieder auf die Beine kommen würde. Aber sie hatte nichts gehört. Es hatte sich noch nicht einmal ein Polizist bei ihr gemeldet.
Von der Stationsschwester hatte sie erfahren, dass sich die Kriminalpolizei mehrmals nach Böhnkes Befinden erkundigt hatte. Den Ermittlern hatte man Auskunft gegeben. Andere blitzten ab, ein gewisser Hamacher ebenso wie ein gewisser Grundler, wie die Schwester zufrieden berichtete.
Nach dem Aufwachen wuchs Böhnkes Energie von Tag zu Tag. Lieselotte musste ihn in seinem Tatendrang bändigen. Am liebsten wäre er sofort losgezogen, um zu erforschen, was passiert war. Zu seinem eigenen Erschrecken konnte er sich nicht mehr an das Geschehen erinnern. Er wusste nur noch, dass er in Roetgen losgefahren war, um nach Huppenbroich zu gelangen.
»Was soll’s«, tröstete er sich. »Hauptsache, ich komme hier heil heraus.«
Danach sah es in der Tat aus. Die medizinische Rundumkontrolle und Versorgung setzte alle Zeichen auf Vorfahrt. Letztendlich war es Lieselotte, die davor warnte, voreilig zu sein und ihn länger im Krankenhaus hielt, als er wollte.
»Du bist mein Weihnachtsgeschenk«, hatte sie ihm gesagt, als sie dem grummelnden Böhnke erklärte, er würde an Heiligabend entlassen. Sie hatte ihm die Zeit im Krankenhaus kurz werden lassen, war immer für ihn da gewesen und hatte ihn mit allem versorgt, was er wünschte, und war mit ihm auch ins nahe gelegene Café an der Hauptstraße gelaufen. Die Aussicht auf gedeckten Apfel mit Sahne hatte ihm schnelle Beine verliehen. Selbst Zeitungen hatte sie ihm besorgt, sodass er nachlesen konnte, wie sein Unfall geschildert wurde.
Ob es tatsächlich so gewesen war? Er wusste es nicht. Sicherlich hatte der Redakteur den Pressebericht der Polizei als Basis genommen. Ergänzt hatte er ihn mit vermeintlichen Zeugenaussagen.
Eine Woche nach dem Attentat hatte der Journalist bei der Polizei und im Krankenhaus nachgefragt. Aber er hatte nur berichten können, dass die Klinik keine Aussagen zum Zustand von Böhnke machen würde und dass die Polizei keine Erkenntnisse gefunden hätte, die eine rasche Aufklärung ermöglichten.
Nachdenklich hatte Böhnke in seinem Notizblock geblättert. Er wusste alles. Nur beim Unfall, da gab es den Filmriss.
Er hatte das Krankenhaus im Prinzip schon verlassen und stand mit einem Koffer vor dem Ärztezimmer, um seine Entlassungspapiere entgegenzunehmen, als er überraschenden Besuch bekam.
»So schnell entkommen Sie uns nicht«, feixte der Polizist, der gemeinsam mit seinem Kollegen Dienst auf der Wache in Simmerath schob. »Ich hoffe, Sie haben nicht wieder ein Taschenbuch mitgehen lassen«, schob sein Begleiter grinsend hinterher. Freundlich schüttelten sie Böhnke die Hand.
An seine erste, peinliche Begegnung mit den beiden Dorfsheriffs, als sie ihn nach seinem Einbruch in das Haus eines Mordopfers in Huppenbroich erwischt hatten, wollte Böhnke sich nicht gerne erinnern. Doch in gewisser Weise hatte sie der Zwischenfall miteinander verbunden, waren sie dadurch vertrauter geworden.
»Wir haben übrigens mit Ihrer Frau gesprochen. Sie ist damit einverstanden, dass wir Sie nach Hause fahren«, erläuterte der ältere Kollege.
»Wir würden mit Ihnen gerne einen kleinen Umweg machen«, fuhr der andere fort. »Bei uns an der Polizeistation vorbei, wenn’s recht ist, Herr Böhnke.«
»Und warum?«
»Wir würden gerne mit Ihnen noch einmal in aller Ruhe über Ihren Unfall sprechen.« Der ältere Polizist hatte wieder übernommen. »Wenn man von einem Unfall sprechen kann. Aber Sie wissen ja, was ich meine.«
Böhnke nickte. Alles, was zur Aufklärung beitragen könnte, würde er unterstützen. Und wenn es nur ein
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