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Prinz-Albrecht-Straße

Prinz-Albrecht-Straße

Titel: Prinz-Albrecht-Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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war frosthart und knietief. Er schob sich ihnen mit eisiger Hand die Hose hinauf.
    Stahmer stürzte zum ersten Male. Sein Aufschrei erstickte im Schneehaufen. Georg riß ihn hoch. »Scheiße«, sagte er.
    Weiter durch die endlose Landschaft. Sie gingen, als zögen sie einen Pflug. Die Sehnen in den Kniekehlen wurden zu Gummibändern. In die Halsmuskeln bohrten sich Reißnägel. Stahmer spürte den Schmerz wie durch glühende Watte. Er zählte seine Schritte nach dem hämmernden Puls. Einundzwanzig, zweiundzwanzig … Wie der Abzug einer Handgranate. Gleich mußte sie explodieren. Der Agent zählte rückwärts. Er bemerkte kaum, wie sich das nächtliche Schneefeld bläulich verfärbte. Der Schatten eines Wäldchens wuchs aus dem Morgendunst.
    Sie taumelten weiter. Durch den dämmernden Tag. Wie Tiere zogen sie sich vor jedem Geräusch, vor jedem Umriß ins Dickicht zurück. Die Bäume schüttelten Schnee in ihre Nacken; die Sträucher schnitten ihnen Striemen ins Gesicht. Sie aßen Schnee und Schokolade. Jeder Wagen, der ihnen begegnete, wurde zum Abenteuer, jeder Mensch zum Jäger, jedes Haus zum Gefängnis. Ein ganzes Land suchte sie. Wegen Mordes. Verübt an dem deutschen Emigranten Rudolf Formis. Das Gewissen wollte die Täter der Weltöffentlichkeit präsentieren.
    Am Nachmittag waren sie fertig. Sie schwankten nur noch auf der Stelle. Dann sahen sie die Holzhütte. Verschalte Läden. Sie horchten. Hinein. Es roch nach muffigem Heu. In der Ecke standen Arbeitsgeräte. Das Holzhaus mußte zu einem Forstamt gehören. Die beiden ließen sich hinplumpsen.
    Georg schlief sofort ein. Stahmer lag reglos. In seiner Hand kochte flüssiges Blei. Der Agent schüttelte die wirren Bilder ab. Er boxte den Mörder, den er heil über die Grenze zu bringen hatte, in die Seite. »Los«, sagte er, »stehen Sie auf …«
    Georg grunzte benommen. Schläfrig.
    »Sie organisieren Seife, Rasierzeug, zwei frische Hemden, Proviant.«
    »Allein?« fragte Georg.
    »Ja«, versetzte Stahmer hart.
    »Wo?«
    »Im nächsten Dorf.«
    Stahmer beobachtete, wie der Kerl sich mißmutig aus der Hütte schob. Hoffentlich schnappen sie ihn, dachte er. Dann fuhr er erschrocken hoch. Nein, sie durften es nicht. Wenn der Mord schon verübt worden war, dann sollte ihn wenigstens niemand beweisen können. Stahmer sah auf die Uhr. Zwecklos. Er horchte. Nichts. Er ließ sich wieder zurückfallen. Kroch unter das Heu. Deckte sich schlampig zu. Schlief ein.
    Eine Stunde. Gefahr weckte ihn. Bevor Stahmer noch etwas hören konnte, war er hellwach. Schritte vor der Hütte. Georg, dachte er erleichtert. Als die Tür aufging, wußte er, daß er sich geirrt hatte. Zwei Männer. Sie unterhielten sich halblaut. Sie patschten sich den Schnee von den dicken Segeltuchhandschuhen. Ein Streichholz zischte. Einer stand so dicht bei Stahmer, daß der Agent den Druck seines Körpers spürte. Die Pistole, überlegte er. In der Tasche. Aufspringen! Schießen! Noch zwei Morde? Nein! Stahmer atmete so knapp, daß der Brustkorb drückte. Wenn Georg jetzt kommt, dann …
    Da waren sie wieder, die Zischlaute. Wieviel Konsonanten hat ein Satz? überlegte Stahmer. Dann hörte er die Gefahr. Heu wurde gewendet. Die Gabel fuhr in den Stapel. Fest. Ruckartig. Systematisch. Stahmer schloß die Augen. Wieder zischte die Gabel durch die Luft. Ganz nahe. Der nächste Stich mußte in seinen Leib rasen. Er wollte aufspringen. Er war wie gelähmt … Die Gedanken klebten im Kopf. Ein Stich tobte in der Hand. Schon? überlegte der Agent.
    »Zschsch«, sauste die Gabel wieder durch die Luft. Knapp neben ihm.

25
    Ein Mord machte Politik. Weltpolitik. Das Bild des toten Rudolf Formis war auf den Frontseiten der Auslandszeitungen. Die freie Welt folgte den Spuren des Verbrechens. Das Propagandaministerium dementierte wütend. Notenwechsel zwischen Prag und Berlin. Das alles war nur ein Vorspiel, solange zwei Männer untergetaucht blieben …
    Man suchte sie hüben wie drüben. Fieberhaft. Ergebnislos. Mit hundert Armen griff die tschechische Polizei ins Leere. In Prag fürchtete man, daß Werner Stahmer und sein Komplize entkommen waren. In Berlin war man überzeugt, daß sie verhaftet wurden. Der Rest ließ sich an den Fingern abzählen: Vorführung in einer internationalen Pressekonferenz. Geständnis auf Tonband. Gesichter im Blitzlicht. Dicke Schlagzeilen, rot wie Blut. Eine Welle gegen das Dritte Reich, das sie zu dieser Zeit noch auf ›achtbar‹ maskierte. Selbst im Ausland hegte man

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