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Prinz-Albrecht-Straße

Prinz-Albrecht-Straße

Titel: Prinz-Albrecht-Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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daß eine Frau am Steuer saß. Er stellte sich in die Mitte der Straße. Er überlegte nichts in dieser Sekunde. Er hob die rechte Hand. Der Wagen rollte noch langsamer. Die Dame im schwarzen Persianer kurbelte die Scheibe herunter und beugte sich heraus. Eine tschechische Nummer. Prag, überlegte der Agent ganz schnell. Eine Frau. Versuchen …
    Er nickte höflich.
    Er konnte kein Wort Tschechisch.
    »Pardon, madame, nous sommes des étrangers«, begann er französisch. »Entschuldigung, Madame, wir sind Ausländer.«
    Sie zögerte ein Moment, vielleicht, weil sie Georg gesehen hatte.
    »Madam, excuse me please, but we are foreigners«, versuchte er es mit Englisch.
    Sie nickte.
    Der Komplize stieg nach hinten. Stahmer setzte sich neben die Fahrerin, die sich eine Zigarette anzündete.
    »Deutscher?« fragte sie auf deutsch.
    Der Agent erschrak.
    »Woher wissen Sie?« fragte er dann unsicher.
    »An Ihrem Akzent«, erwiderte sie lächelnd.
    Er betrachtete sie von der Seite. Hübsch, registrierte er, etwa dreißig Jahre, viel Geld, vermutlich verheiratet. Er spürte instinktiv, daß er ihr gefiel. Aber er wunderte sich nicht darüber, denn er war es gewohnt. Frauen waren für ihn kein Problem, sondern eine Gelegenheit. Zur Liebe oder zur Flucht, je nach der Situation …
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte Stahmer. »Es ist nicht meine Art, Damen auf der Straße anzuhalten.«
    Sie lachte. »Es ist auch nicht meine Art, blinde Passagiere mitzunehmen«, erwiderte sie.
    Es war ihr anzumerken, daß sie Zutrauen zu Stahmer faßte. Er saß leicht vorgebeugt und starrte angestrengt durch die Windschutzscheibe.
    Die Fahrerin deutete es falsch. »Sie brauchen keine Angst zu haben«, sagte sie lächelnd, »mein Führerschein ist vier Jahre alt.«
    »Ich habe keine Angst … Warum sprechen Sie so gut Deutsch?«
    »Meine Mutter stammt aus Deutschland«, erwiderte sie, »mein Vater ist Tscheche … Was machen Sie eigentlich bei uns?«
    »Vergnügungsreise«, versetzte er betont leicht. »Geld ausgeben … Na, diese verdammte Devisenwirtschaft!«
    Sie drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und schaltete das Autoradio an.
    »Was halten Sie von Deutschland?« fragte Stahmer tastend.
    »Ach«, wiederholte sie, »ich verstehe nicht viel von Politik.«
    Sie passierten die nächste Ortschaft. Keiner hielt sie auf. Die Flucht wurde gemütlich. Die Heizung funktionierte. Die Angst fiel langsam von den Männern im warmen Wagen ab.
    Georg machte es sich hinten bequem. Sein Verstand war womöglich noch weniger entwickelt als sein Gewissen. Seine Intelligenz reichte genau bis zur nächsten Ecke.
    Diesmal erkannte auch Stahmer die plötzliche Gefahr nicht. Sie kam aus dem Äther. Hier hatten sie die Stimme des Gewissens zum Schweigen gebracht, und jetzt jagten sie, wie zum Ausgleich, die Lautsprecher eines ganzen Landes.
    Die Musik im Autoradio war abgebrochen.
    Der Sprecher gab eine Durchsage. Die Nerven, dachte Stahmer, als er zum ersten Male seinen Namen hörte. Dann wieder … noch einmal. Ruhig bleiben, befahl er sich. Er betrachtete die Frau neben sich so uninteressiert wie möglich. Sie verstand jedes Wort der tschechischen Durchsage. »Stahmer ist einen Meter achtzig bis fünfundachtzig groß, blond, hat eine hohe Stirn und helle, schräg zueinander abgesetzte Augen. Achtung bei der Festnahme! Stahmer ist bewaffnet. Nur einmal anrufen. Sofort schießen! Stahmers Komplize ist etwa gleich groß, hat ein breites gewöhnliches Gesicht … Ich wiederhole …«
    Auf einmal wurden die Hände am Steuer unsicher. Erschrocken betrachtete die junge Frau den Mann. Sie wagte es nicht, sich nach dem anderen umzudrehen. Sie hörte zum zweiten Male die Personenbeschreibung. Und jetzt wußte sie, daß sie zwei mordverdächtige Männer mitgenommen hatte. Zuerst wollte sie sich nichts anmerken lassen. Aber sie erkannte an Stahmers Blick, daß er gewarnt war. Sie schluckte.
    Sie fuhr langsamer.
    Da wußte Stahmer endgültig Bescheid.
    Sie kam ihm zuvor. »Sie heißen Stahmer, nicht?« begann sie.
    Er schwieg verbissen.
    »Und Sie werden wegen Mordes gesucht«, sagte die Dame im Persianer ruhig.
    Stahmers Hand fuhr zum Autoradio und drückte den Knopf herunter.
    »Stimmt es nicht?« fragte sie leise.
    Er wußte immer noch keine Antwort.
    Hinten kauerte Georg und döste. Was tun? fragte sich der Agent. Sie zum Anhalten zwingen, querfeldein laufen? Sinnlos. Im nächsten Dorf hetzt sie uns die Polizei auf den Hals. Sie niederschlagen und mit ihrem

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