Prinz-Albrecht-Straße
und in Berlin die Vollstreckung seiner Befehle verfolgt.
In Berlin war auch ein Mädchen namens Margot. Heydrich befahl. Margot wartete. Wer dem Teufel dient, ist nicht für Gefühle geschaffen. Und ich bin Satans rechte Hand, überlegte Stahmer.
Die Schritte zogen weiter. Eine Tür wurde aufgerissen und zugeschlagen. Werner Stahmer spürte die Erleichterung. Sein Mund war trocken, sein Gesicht gespannt. Er starrte auf den Schreibtisch, auf dem seine schwarze Aktentasche lag, eine Tasche, wie man sie benutzt, um Butterbrote mit ins Büro zu nehmen. Keine belegten Brote, Eierhandgranaten! Werner Stahmer wagte kaum, das Mädchen, das hinter dem Schreibtisch saß, anzusehen.
»Wollen Sie mir nun endlich sagen …?« fragte die hübsche Sybille verärgert weiter.
»Ich kann nicht«, erwiderte der hochgewachsene Mann dumpf. Es nutzt alles nichts, überlegte er dabei, ich muß sie niederschlagen. Zu ihrem eigenen Schutz. Ich, ein Mann … ein Mädchen! Was bin ich für ein mieser Hund, dachte er zwecklos. Ich hätte auch auf andere Weise in das Haus kommen können …
»Sie haben getrunken«, sagte Sybille.
»Nein«, antwortete Stahmer und sah auf die Uhr.
Sein Verstand ging exakt wie der Sekundenzeiger. Ich hätte Sybille nicht mit hineinziehen dürfen, liefen seine Gedanken weiter. Ich muß sie einsperren, damit sie nicht auch noch in die Schußbahn der Komplizen läuft. Der Agent sah fahrig nach der Tür. Kein Schlüssel da. Zu dumm …
»Ich geh' jetzt«, sagte das Mädchen trotzig, »und ich möchte Sie nicht wiedersehen … Nie mehr.«
Stahmer nickte. Sybille darf nicht schreien, überlegte er. Ich muß ihr die Kehle zudrücken. Stahmers Handflächen brannten. Scham, nicht Angst! Er ging rasch an die Tür und lehnte sich mit dem Rücken gegen sie, so daß das Mädchen nicht an ihm vorbeikam.
»Nein«, sagte er hart, »Sie bleiben! Ich kann Ihnen nichts erklären … Alles, was jetzt passiert, mache ich zu Ihrem Schutz, auch wenn Sie das nicht begreifen …« Er betrachtete sie fest, beinahe suggestiv.
Sybille wurde von diesem Blick aus stahlkalten Augen gebannt. Sie zögerte. Ihre Unterlippe wölbte sich nach vorn. Ihr kurzes Lachen klang trocken und belegt. Jetzt, dachte Stahmer und wollte sich von der Tür abstoßen.
In diesem Moment, Minuten vor dem Anschlag auf den Reichssender Gleiwitz, klingelte das Telefon.
Sybille nahm den Hörer ab. Gut so, dachte Stahmer, dann brauch ich sie wenigstens nicht von vorn anzugreifen. Er ging zur Seite, wollte sich von hinten auf das Mädchen stürzen.
Sybille drehte sich verwundert um. »Für Sie«, sagte sie.
Der Agent wurde sofort mit dem leichten Schwindelgefühl fertig, das ihn streifte. Etwas schiefgegangen, registrierte er mechanisch. Dann war er hellwach. »Ja?« sprach er in die Muschel.
Er kannte die Stimme sofort. Der Verbindungsmann, der in seinem Hotelzimmer wartete.
»Anruf aus Oppeln«, sagte er hastig, »die Aktion ist abgeblasen … darf unter keinen Umständen steigen …«
»Verstanden«, entgegnete Stahmer. Er legte auf, riß die schwarze Aktentasche an sich, stürzte aus dem Raum. Sybille trat ihm in den Weg. Er schleuderte sie zur Seite. Das Mädchen schlug hart mit dem Hinterkopf gegen die Wand, sackte zusammen.
Der Agent raste über den Gang. Mein Gott, dachte er. Wie lang ist ein Gang? Wie viele Stufen hat eine Treppe? Er flitzte in langen Sätzen hinunter, riß die Tür auf, stürzte hinaus. Seine Augen wurden klein. Einen Moment war er blind. Ein paar lähmende Sekunden nur, die tödlich sein konnten.
Das Pförtnerhäuschen. Stahmer schleppte sich vorwärts. Hinter ihm Schritte. Die Menschen im Haus waren auf den Zwischenfall aufmerksam geworden.
Ein Auto hielt.
Zwei Gestalten sprangen heraus. An der Außenmauer stand ein Mann mit hochgeschlagenem Mantelkragen und nickte. Auf der anderen Seite kamen zwei weitere. Sie gingen auf den Pförtner zu. Einer hielt eine schwere Pistole im Anschlag, verdeckte sie schlampig mit dem Ärmel. Zehn Schritte noch, oder fünfzehn vielleicht …
»Stopp!« brüllte Stahmer, so laut er konnte.
Der Mann mit der Waffe drehte sich um, richtete den Lauf auf den Agenten.
»Stopp!« rief Stahmer zum zweiten Male. »Abgeblasen! Haut ab!«
Sie zögerten. Werden sie mich erkennen, überlegte Stahmer, oder macht mich das Drecksding zum Sieb? Bin ich der Tote, den ich liefern soll?
Er hatte Glück. Die stumpfsinnigen Gorillas kapierten. Langsam zwar und unwillig. Aber sie ließen sich Zeit, bis
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