Prinz Charming
bestimmten Mann
gefunden hättest. Und du sagtest, er sei ein schlechter Mensch.«
»Dein Gedächtnis ist bewundernswert«, meinte er seufzend.
»Du willst ihn töten, nicht wahr?« Während er noch überlegte, ob der die Wahrheit gestehen sollte, bemerkte sie: »Du trägst eine große Verantwortung.«
»Ja«, stimmte er zu und dachte an die acht Männer, die Caulder ermordet hatte.
Nur Lucas war am Leben geblieben. Nur er hörte den stummen Ruf nach Gerechtigkeit, den seine toten Kameraden hervorstießen. Ja, er würde sie alle rächen und John Caulder töten. Und er würde es genießen, den Schurken sterben zu sehen. Das Gesetz würde ihm nicht helfen - auch nicht den acht Soldaten, die tief unter der Erde lagen.
Gequält schloß er die Augen. Ehe er in die Zukunft schauen konnte, mußte er die Vergangenheit bewältigen. Er hatte ein Gelübde abgelegt, das er nicht brechen würde. Und er wußte nur zu gut, welche Verantwortung er trug.
16
Die Liebe sieht nicht mit dem Auge, sondern mit dem Geist.
William Shakespeare, Die lustigen Weiber von Windsor
Taylor erwog ernsthaft, die Abreise um einen Tag zu verschieben, denn es dauerte viel länger als erwartet, all die neuen Sachen zu packen. Außerdem wurde sie von den Zwillingen immer wieder bei der Arbeit gestört. Georgie richtete in einer der großen, zusätzlich erworbenen Truhen ein Häuschen ein, und Allie hüpfte auf alles, was sich nicht bewegte.
Und so wurde Taylors Geduld auf eine harte Probe gestellt. Zu Mittag dachte sie, es wäre unmöglich, alles rechtzeitig zu erledigen. Sie fütterte ihre Nichten, steckte sie ins Bett und hoffte, sie würden ein Schläfchen halten und vorerst Ruhe geben. Danach ging sie wieder an die Arbeit, und Daniel, der an diesem Tag David hieß, half ihr.
Sie bemühte sich, nicht an Lucas zu denken. Am Vormittag waren ihr zweimal Tränen in die Augen gestiegen, aus unerklärlichen Gründen. Schließlich gestand sie sich die bedrückende Wahrheit ein. Sie vermißte ihn. Hätte sie ihm doch die ganze Geschichte über den Mann entlockt, den er verfolgen wollte ... Wüßte sie besser Bescheid, würde sie sich vielleicht nicht so große Sorgen machen. Sie vermutete Lucas wäre hinter jemandem her, der auch von der Polizei gesuchte wurde und deshalb ein gefährlicher Verbrecher sein mußte. Je länger sie darüber nachdachte, desto schwerer lastete die Angst auf ihrer Seele.
Dazu kamen weitere Probleme. Harry Sherman, der Banker in Boston, telegrafierte ihr, Malcolm würde das Testament seiner Mutter vor Gericht anfechten. Schändlicherweise gab er als Begründung an, Lady Esther sei nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte gewesen und habe unter schrecklichem Druck gestanden. Sherman fügte hinzu, ehe das Gericht die Angelegenheit geklärt habe, seien die englischen Konten eingefroren. Aber Malcolms Anwälte würden etwas länger brauchen, um auch die amerikanischen Banken zu einer solchen Maßnahme zu veranlassen.
Als das Telegramm eintraf, kam Victoria gerade ins Zimmer und erschrak zutiefst über die Neuigkeiten. Taylor war nicht sonderlich erstaunt, denn sie hatte erwartet, daß ihr Onkel jeden erdenklichen Trick anwenden würde, um das Geld zwischen seine gierigen Finger zu kriegen.
Es dauerte eine Weile, bis sie sich zusammenreimte, wieso Sherman ihre derzeitige Adresse kannte. Aber schließlich erinnerte sie sich, daß sie eine größere Summe von der Bank in Cincinnati abgehoben und dabei den Namen des Hotels angegeben hatte. Erstaunlich schnell sprach sich herum, wo sie sich gerade aufhielt.
Soeben hatte sie gemeinsam mit Victoria beschlossen, erst am nächsten Tag abzureisen, als ein zweites Telegramm eintraf, das sie nicht nur überraschte, sondern auch entsetzte. Malcolm hatte sie aufgespürt und teilte ihr mit, sein Ansuchen um das Sorgerecht für seine Großnichten sei gerichtlich bewilligt worden. Nun würde er eine bewaffnete Eskorte nach Amerika schicken und die Zwillinge nach England bringen lassen.
»Wieso hat er erfahren, daß Georgie und Allie bei dir sind?« fragte Victoria. »Du dachtest doch, er wüßte nichts vom Tod ihres Vaters.«
»Vermutlich hat er einen Detektiv beauftragt, Nachforschungen anzustellen«, erwiderte Taylor tonlos. »Meine Großmutter vermachte den Kindern eine beträchtliche Summe, und die Namen der beiden werden im Testament angegeben. Als ihr Vormund würde Malcolm das Erbe verwalten. O Gott, ich kenne die gesetzlichen Bestimmungen nicht werden die hiesigen Behörden ihm
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