Prinz Charming
Unterkunft für mich gefunden. Wo wohnen Sie, Sir?«
»Nennen Sie mich nicht Sir. Ich heiße Lucas.«
»Und ich Taylor.« O Gott, das wußte er ja schon. »Nun, ich meine - ich erlaube Ihnen, mich Taylor zu nennen. Sie besitzen irgendwo in der Wildnis eine Ranch, nicht wahr?«
»Hat Ihre Großmutter Sie nicht über alle Einzelheiten informiert?«
»Nein, dafür fehlte uns die Zeit. Sie erwähnte nur, Sie seien mehrmals bei ihr zu Besuch gewesen, ehe sie beschlossen habe, mich mit Ihnen zu verheiraten. Erst heute nachmittag kam ich aus Schottland zurück. Und da erwarteten Sie mich. Großmutter betonte, der Priester sei wegen eines anderen Termins in Eile. Deshalb wollte ich Sie nicht mit Fragen belästigen. Sicher hätte sie sich darüber aufgeregt.«
»Also haben Sie mich geheiratet, ohne sich genauer nach mir zu erkundigen?«
»Meine Großmutter versicherte mir, Sie seien akzeptabel. Und Sie wissen ja auch nicht viel über mich, falls sie keine näheren Erklärungen abgegeben hat. Aber da wir uns nach der Ankunft in Boston nicht Wiedersehen werden, spielt das kaum eine Rolle.«
»Da haben Sie recht«, stimmte er zu und beschloß, ihre frühere Frage zu beantworten. »Meine Ranch liegt in Montana, am Rand eines Tals - sehr abgelegen und nach dem Ende des Goldrauschs kaum besiedelt. Die einzige Stadt in unserer Nähe ist nur zwei Straßen breit und lang. Da würde es Ihnen ganz und gar nicht gefallen.«
»Wieso glauben Sie das?«
»Das einzige gesellschaftliche Ereignis ist die sonntägliche Versammlung vor dem Gemischtwarenladen, wo man die Zeitungen aus Rosewood liest. Es gibt weder Partys noch
Bälle, denn das Überleben ist viel wichtiger als gesellschaftliche Kontakte.«
»Und in dieser Atmosphäre fühlen Sie sich wohl?« Als er nicht antwortete, fragte sie: »Wie heißt die Stadt?«
»Redemption.«
Das klang phantastisch. Redemption - Erlösung... »Kann man einen ganzen Tag lang durch dieses Tal wandern, ohne einer einzigen Menschenseele zu begegnen?«
Falls er diese Frage seltsam fand, so sagte er es nicht, und er kam auch nicht mehr dazu, eine Antwort geben. Schwankend hielt die Kutsche nahe der Straße, die zum Kai führte. Der Zwei-Tonnen-Raddampfer Emerald, der den Atlantik überqueren sollte, ankerte in der Flußmitte. Ein kleiner Tender sollte die Passagiere an Bord bringen.
Mittlerweile war es ein Uhr morgens geworden, aber auf den Straßen und Gehsteigen herrschte immer noch reges Leben und Treiben. Zahlreiche Reisende kletterten aus diversen Vehikeln und ließen ihr Gepäck ausladen.
»Sind unsere Koffer schon an Bord?« fragte Taylor. »Oder müssen wir sie in diesem Durcheinander suchen?«
»Nein, wir finden alles in unserer Kabine.«
»In unserer Kabine? Werden wir denn nicht getrennt untergebracht, Sir?« Wieder einmal mußte sie gegen ihre Panik ankämpfen. Zum Glück nahm Lucas keine Notiz mehr von ihr. Sie war sicher leichenblaß geworden, und sie fühlte sich elend. Erwartete dieser Mann, ihr Bett zu teilen? Um Himmels willen, an diese obszöne Möglichkeit hatte sie noch gar nicht gedacht.
Lucas öffnete die Wägentür. »Um die Wünsche Ihrer Großmutter zu erfüllen, müssen wir dieselbe Kabine bewohnen. In diesem Gedränge können wir nicht weiterfahren. Schaffen Sie den restlichen Weg zu Fuß, Taylor?«
Am liebsten wäre sie davongelaufen, aber sie nickte. Er stieg aus der Kutsche, dann half er ihr heraus. Als sie nebeneinanderstanden, fragte sie: »Warum habe ich nicht schon früher bemerkt, wie groß Sie sind?« Zu spät bereute sie diese albernen Worte, die sich nicht mehr zurücknehmen ließen.
»Bei der Hochzeit standen Sie auf dem Podest, neben dem Bett Ihrer Großmutter, ich nicht.«
Nur mit halbem Ohr hörte sie diese Erklärung, denn sie konzentrierte sich auf seinen Anblick. Was für ein nettes Lächeln er hatte - und so schöne weiße Zähne, sogar ein Grübchen in einer Wange ... Er war wirklich sehr attraktiv.
Verwundert begegnete er ihrem Blick. Warum wurde sie plötzlich rot? Was zum Teufel war los mit ihr? »Woran denken Sie, Taylor?«
»Sie sehen sehr gut aus«, erwiderte sie, ohne zu überlegen, und auch das bereute sie schon in der nächsten Sekunde. Ihre Wangen brannten. Großer Gott, wenn sie doch etwas weltgewandter wäre ... »Natürlich verstehe ich nichts von Männern«, fügte sie hastig hinzu. »Die kann ich nicht richtig beurteilen.«
»Wieso glauben Sie das?«
»Immerhin wollte ich William heiraten«, erinnerte sie ihn. »Eigentlich
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