Prinz Charming
packen und mit ihr zur nächsten Küste schwimmen - oder sterben.
Genausowenig konnte er etwas an Taylors verführerischer Nähe ändern. Wie wundervoll warm und weich sie sich anfühlte ... Sie roch so gut. Wie Rosen. Diese glatte, seidige Haut konnte einen Mann zum Wahnsinn treiben. Wie gern würde er sein Gesicht an ihren Hals schmiegen und einschlafen... Schon wieder belog er sich selbst. Er wollte nicht schlafen, er wollte sie voller Leidenschaft in die Arme nehmen.
»Wissen Ihre Brüder, daß Sie Weggehen werden?«
Jetzt war er dankbar für die Unterbrechung. Seine Gedanken beunruhigten ihn viel zu sehr. »Das scheint Sie zu ärgern«, bemerkte er gähnend.
»Ein bißchen schon. Ihre Brüder und ihre Probleme gehen mich zwar nichts an, aber ...«
»Sie haben recht, das alles geht Sie nichts an«, fiel er ihr ins Wort. »Schlafen Sie jetzt.«
»Also ist die Diskussion über familiäre Verantwortung beendet?«
Diese Frage ignorierte er. Sein Schweigen mußte ihr als Antwort genügen.
Aber das entnervende Gespräch hatte auch seine Vorzüge. Taylor war so empört über seine mangelnde familiäre Gesinnung, daß sie das Unwetter nicht mehr fürchtete. Um so mehr wuchs sein eigenes Unbehagen. Wie lange würde das Schiff dem Sturm noch standhalten?
»Können Sie schwimmen, Taylor?«
»Ja. Warum?«
»Ich wollte es nur wissen.«
Es dauerte eine Weile, bis sie verstand, was hinter seiner Frage steckte. »Sie können doch auch schwimmen?«
»Ja.«
»Bis nach Boston?«
Das konnte niemand. Noch zwei Tagespreisen trennten das Schiff vom Hafen, und vielleicht lag es sogar noch weiter entfernt, wenn es wegen des Sturms und der gnadenlosen Wellenberge vom Kurs abgekommen war. »Natürlich könnte ich das«, antwortete er und hoffte, seine Lüge würde Taylor beruhigen.
»So leichtgläubig bin ich nun auch wieder nicht. Werde ich aufwachen, bevor ich ertrinke?«
»Wir werden nicht ertrinken.«
»Natürlich nicht«, stimmte sie zu.
Danach versank sie in Schweigen, und er glaubte, sie wäre endlich eingeschlafen. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, rückte noch etwas näher zu ihr und legte den Kopf in ihre Halsbeuge. Erfolglos versuchte er, seine lustvollen Gedanken zu verdrängen.
Verdammt, warum konnte er seine Phantasie nicht im Zaum halten? Sicher, sie war verführerisch mit diesen magischen Augen und den reizvollen Lippen - und seine Begierde ganz normal. Immerhin lag er mit ihr im Bett, und sie trug nur ein dünnes weißes Nachthemd. Im Dunkeln ist eine Frau wie die andere - und Taylor nichts Besonderes, redete er sich ein.
Wenn das keine Lüge war ... Er biß die Zähne zusammen und zwang sich, ihr den Rücken zuzukehren. Endlich gelang es ihm, alle Gedanken auszuschalten und einzuschlafen.
Taylor fragte sich, was in ihm vorging. Warum hatte er sich so abrupt auf die andere Seite gedreht? Wahrscheinlich machte ihn der Sturm nervös. Und sein Stolz verbot ihm, das einzugestehen.
Seufzend starrte sie in die Finsternis und fand keinen Schlaf. Sie dachte wieder an Lucas’ Entschluß, seine Brüder zu verlassen und in die Berge zu gehen. Einerseits fand sie das nicht richtig, andererseits bewunderte sie seine Ehrlichkeit. Verborgene Beweggründe schienen seine Handlungsweise jedenfalls nicht zu bestimmen, und das gefiel ihr.
Außerdem konnte sie seinen Wunsch, in die Berge zu gehen, sehr gut verstehen. Wäre sie ein Mann ohne besondere Pflichten, würde sie seinem Beispiel folgen. Hatte er die Abenteuergeschichten über Daniel Boone und Davy Crockett gelesen?
Jeder Mensch müßte imstande sein, seine Träume zu verwirklichen, überlegte sie. Aber Lucas würde noch lange nicht allein in den Bergen leben - erst wenn die Kinder alt genug und fähig waren, für sich selbst zu sorgen.
Sie würde nach Redemption ziehen. Ihr Entschluß stand fest. Die abgeschiedene kleine Stadt eignete sich perfekt für ihre Zwecke. Und wenn Victoria sie begleiten wollte, war sie willkommen.
Dieser Plan hatte nur einen einzigen Haken. Aber da sie vielleicht auf dem Meeresgrund liegen würde, noch ehe der neue Tag anbrach, durfte sie sich ihre Schwäche getrost eingestehen. Sie brauchte Lucas Ross.
4
Nach allem, was ich jemals las,... rann nie der Strom der treuen Liebe sanft.
William Shakespeare, Ein Sommemachtstraum
Er konnte es kaum erwarten, ihr zu entkommen. Während der langen Seereise hatte die körperliche Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübte, nicht nachgelassen. In der Gewitternacht war er erwacht,
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