Prinz Charming
als er auf Taylor gelegen hatte, die Lippen an ihrem Hals. Wie er dahin geraten war, wußte er nicht. Nur eins wußte er - er begehrte sie mit einer heißen Leidenschaft, die er nie zuvor gekannt hatte.
Im Schlaf wurden seine Verteidigungsbastionen geschwächt, und er hatte sie instinktiv in die Arme genommen, um seinen Hunger zu stillen. Und das Verlangen nach ihr war nicht nur schmerzhaft - es erschreckte ihn. Glücklicherweise war er rechtzeitig erwacht, ehe er ihr das Nachthemd ausgezogen und auch sie erschreckt hätte. Von der Gefahr, in der sie schwebte, ahnte sie nichts. Sie war völlig erschöpft, und während seiner ungeplanten Attacke schlief sie friedlich weiter. Sie erwachte erst, als er merkte, was er tat, und von ihr herunterrollte. Und da rutschte sie doch tatsächlich zu ihm hinüber, schmiegte sich ungeniert an ihn und schlummerte wieder ein. Diese Frau war viel zu vertrauensselig, und das würde ihr vermutlich eines Tages schaden. Andererseits war er ihr Ehemann, wenn auch nur auf dem Papier und für kurze Pflicht, und deshalb fühlte sie sich selbstverständlich sicher bei ihm. Es war ja auch seine Pflicht, sie zu beschützen
- und nicht zu vergewaltigen.
Auf der restlichen Reise bekämpfte er seine Gelüste. Und als sie in Boston von Bord gingen, fühlte er sich wie ein elender Wüstling. Nur seine Disziplin hatte ihn davor bewahrt, sich wie einer aufzuführen. Nach dem Gewitter hatte Taylor ihn aufgefordert, auch die weiteren Nächte in ihrer Kabine zu verbringen. Natürlich sagte sie das nicht rundheraus. Eine Stunde lang strich sie um das Thema herum, wie eine Katze um den heißen Brei. Und dann besaß sie auch noch die Frechheit, ihm einzureden, sie würde ihm einen Gefallen erweisen.
Aber er durchschaute sie. In Wirklichkeit wollte sie nicht allein bleiben. Das Unwetter hatte ihr eine Heidenangst eingejagt, doch das gab sie nicht zu. Bei Lucas fühlte sie sich geborgen. Welch eine Ironie! Hätte sie gewußt, woran er unentwegt dachte, wäre er ihr viel furchtbarer erschienen als der schlimmste Gewittersturm.
Die letzte Nacht an Bord der Emerald war am schwierigsten. Lucas wartete, bis er glaubte, Taylor würde tief und fest schlafen. Erst dann betrat er die Kabine, so leise wie möglich.
Seit der Gewitternacht lag er in seinem Bettzeug am Boden. Er hatte jahrelang in freier Wildnis gelebt und gelernt, überall zu schlafen. Nicht der harte Boden war das Problem, sondern Taylor. Sie saß auf einem Stuhl, in einem weißen Nachthemd und einem Morgenmantel und weißen Pantoffeln mit lächerlichen Satinschleifen, und bürstete ihr Haar. Dabei summte sie vor sich hin. Die ganze Szene wirkte geradezu hypnotisierend. Eine Zeitlang stand Lucas einfach nur da und starrte seine Frau an. Um ihn zu begrüßen, nickte sie ihm lächelnd zu. Das quittierte er, indem er die Stirn runzelte, dann wandte er sich zur Tür.
»Wohin gehen Sie?« Hastig legte sie die Bürste beiseite und sprang auf.
»An Deck«, antwortete er, ohne sich umzudrehen.
»Bitte, bleiben Sie hier! Ich muß mit Ihnen sprechen.«
Lucas griff nach der Klinke. »Es ist schon spät, und Sie brauchen Ihren Schlaf, Taylor. Wir unterhalten uns morgen.«
»Aber ich will jetzt mit Ihnen reden.«
Frustriert biß er die Zähne zusammen. Gab es denn keine Rettung? Nun würde er sie wieder anschauen, ihren Körper in diesem hauchdünnen Morgenmantel und dem Nachthemd sehen und vorgeben müssen, dies würde ihn kein bißchen berühren. Schon jetzt stellte er sich vor, was Taylors unzulängliche Kleidung verbarg. »Zum Teufel!«
»Wie, bitte?«
Da wandte er sich zu ihr und verschränkte die Arme vor der Brust, an die Tür gelehnt. »Worüber wollen Sie reden?« fragte er seufzend.
»Über uns.« Er hob die Brauen, und sie lächelte gezwungen. Auf keinen Fall wollte sie sich von seiner mürrischen Miene einschüchtern lassen. »Habe ich etwas getan oder gesagt, was Sie ärgert?«
»Nein.«
Das glaubte sie ihm nicht. »Während der ganzen Reise sind Sie mir aus dem Weg gegangen. Ich konnte kein Gespräch mit Ihnen führen, das länger gedauert hätte als fünf Minuten. Und deshalb frage ich mich natürlich, ob ich Ihren Unmut erregt habe ...«
»Schlafen Sie jetzt, Taylor«, unterbrach er sie. »Morgen werden wir ...«
Nun fiel sie ihm ihrerseits ins Wort. »Morgen verlassen wir das Schiff, und vorher müssen wir unsere Pläne besprechen. Eine so private Angelegenheit möchte ich nicht in Gegenwart fremder Leute erörtern.«
Nervös
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