Prinz Charming
schlang sie die Finger ineinander, und sein Gewissen plagte ihn, denn er wußte, daß er ihr Unbehagen heraufbeschworen hatte. Er mußte ihr recht geben. Während der Reise war er ihr tatsächlich aus dem Weg gegangen. Seine Gründe behielt er natürlich für sich, sonst hätte er sie noch mehr beunruhigt.
Er ging zu dem Stuhl, von dem sie sich erhoben hatte, und setzte sich. Die langen Beine ausgestreckt, starrte er Taylor an, die auf dem Bett Platz nahm und die Hände im Schoß faltete. Sie ließ ihn nicht aus den Augen, fest entschlossen, ihm die gewünschten Antworten zu entlocken, und wenn es die ganze Nacht dauern sollte. Sogar auf einen Streit würde sie sich einlassen, obwohl ihr davor graute.
Seine schöne, unerreichbare Frau sah elend aus, und das verstärkte seine Schuldgefühle. Deshalb beschloß er, eine Halbwahrheit zu gestehen. »Es stimmt, ich bin Ihnen nach Möglichkeit aus dem Weg gegangen.«
»Aber warum?« Verwirrt strich sie durch ihr langes Haar, eine provozierende Geste. Sie war die geborene Verführerin, was sie allerdings nicht wußte.
»Ich wollte verhindern, daß Sie sich zu sehr an mich gebunden fühlen«, log er, ohne mit der Wimper zu zucken, und war sehr stolz auf sich.
»Soll das ein Witz sein? Ich bin Ihre Frau!« Sie schrie beinahe.
Verdammt, mußte sie denn unentwegt die Finger durch ihre Locken gleiten lassen? Beinahe glaubte er, ihr seidiges Haar zu spüren, den Duft zu riechen. Um sie nicht mehr betrachten zu müssen, schloß er die Augen und ärgerte sich über seine Disziplinlosigkeit.
»Verzeihen Sie, daß ich Sie so angefahren habe.« Taylor holte tief Atem und zwang sich, ihre verkrampften Schultern zu entspannen. Nun mußte sie sich beherrschen, sonst würde sie ihr Ziel nicht erreichen. Es war eine schwierige Aufgabe, Lucas Ross zum Reden zu bringen. Am besten versuchte sie es mit ein bißchen Diplomatie. »Ich weiß, Sie wollten nicht heiraten.«
»Lieber hätte ich mich hängen lassen.«
Eigentlich hätte sie das kränken müssen, aber statt dessen fand sie seine Aufrichtigkeit erfrischend. Als er die Augen öffnete, sah er sie zu seiner Verblüffung lächeln. Unwillkürlich lächelte er zurück und seufzte wieder. »Wir sind in einer verdammt heiklen Lage, was?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher, was Sie meinen.«
Das wollte er nicht erläutern. Er beugte sich vor, zog Schuhe und Socken aus, dann stand er auf, öffnete seine Hemdknöpfe und gähnte laut - eine keineswegs subtile Demonstration seiner Müdigkeit.
Schweigend beobachtete sie ihn. Hatte ihre Großmutter gewußt, wie borniert er sein konnte? Sicher war es ihr gelungen, ihm alle erforderlichen Antworten zu entlocken, und Taylor wünschte, sie hätte jenes Talent von Lady Esther geerbt.
Lucas beachtete seine Frau nicht mehr. Er schlüpfte aus seinem Hemd, rollte sein Bettzeug auf dem Boden auseinander, löschte das Licht und legte sich hin. Da gab Taylor ihren Versuch auf, mit ihm zu reden. Sie zog ihren Morgenmantel aus, kroch ins Bett und rückte ihr Kissen zurecht. »Gute Nacht, Mr. Ross!« rief sie, obwohl sie wußte, wie sehr er es haßte, wenn sie ihn so nannte. Genau deshalb tat sie es. Sie war wütend, und um ihn das wissen zu lassen, rutschte sie rastlos umher, so daß ihr Bett laut knarrte.
Offenbar hat sie nie gelernt, ihre Gefühle zu verbergen, dachte er ärgerlich. Mit ihrer Schönheit und Unschuld wäre sie für die Goldgräber in Boston eine leichte Beute... Allein schon die Vorstellung, Taylor könnte bald in den Armen eines anderen Mannes liegen, trieb ihn beinahe zum Wahnsinn. Verdammt, was war nur los mit ihm? Warum kümmerte es ihn, was nach der Scheidung mit ihr geschehen würde?
»Schlafen Sie?« wisperte sie ins Dunkel und wartete vergeblich auf eine Antwort. Das hinderte sie jedoch nicht daran, ihre Frage etwas lauter zu wiederholen.
Da erkannte er, wie sinnlos es war, Taylor zu ignorieren. »Was gibt’s denn?«
Sie drehte sich zur Seite, ihr Blick suchte ihn in der Finsternis. »Oh, ich wollte Sie nur an unser Treffen mit den Bankern erinnern. Sobald wir im Hotel ankommen, werde ich einen Termin mit ihnen vereinbaren. Und Sie werden bei mir bleiben müssen, bis wir mit den Leuten gesprochen haben.«
»Natürlich.«
»Also werden Sie Boston erst nach ein oder zwei Tagen verlassen können.«
»Das weiß ich.«
Eine Zeitlang schwieg sie, und als er schon glaubte, sie wäre endlich eingeschlafen, flüsterte sie wieder seinen Namen.
»Was ist denn jetzt schon wieder
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