Prinz Charming
zu hart mit ihr umgegangen war. Aber er konnte den Gedanken, in welcher Gefahr sie geschwebt hatte, kaum ertragen. »Deiner Großmutter mußte ich versprechen, dich zu beschützen, bis du dich irgendwo niederlassen würdest und in Sicherheit wärst. Und diese Verantwortung nehme ich sehr ernst.« Er betrachtete ihren Scheitel, das glänzende blonde Haar. »O Gott, wie lange muß ich noch ...?« Er vollendete die Frage nicht.
»Du willst wissen, wie lange du’s noch mit mir aushalten mußt?«
Nein, das hatte er nicht gemeint, aber er war froh, daß er nicht ausgesprochen hatte, was ihn bewegte. Wie lange mußte er seine heiße Sehnsucht nach Taylor noch bezähmen, mit ihr Zusammenleben, ohne seine Begierde zu stillen? Er bestand nicht aus Stein. Begriff sie das denn nicht?
Wie niedergeschlagen und zerknirscht sie aussah... Hatte er ihre Gefühle zu tief verletzt? Und was, verdammt noch mal, sollte er jetzt dagegen tun?
Plötzlich richtete sie sich auf und sah ihn an. Ein Blick genügte ihm, um festzustellen, daß er ihre Emotionen völlig falsch beurteilt hatte. O nein, sie war nicht gekränkt. In ihren Augen schimmerten keine Tränen, da sprühten wütende Funken. Zu seiner eigenen Verblüffung war er erleichtert. Wie zauberhaft sie war! Beinahe hätte er laut gelacht, ohne zu wissen, warum. Diese Frau machte ihn verrückt.
Diese wundervollen, berückenden blauen Augen hielten seine braunen fest - und sein Herz. Es dauerte eine Weile, bis er die Wahrheit erkannte. Und dann glaubte er, ein Blitzschlag müßte ihn treffen. Doch das geschah nicht. Er schwankte nicht, blinzelte nicht einmal, denn dieses neue Wissen war gar nicht so schrecklich, wie er gedacht hatte. In Gegenteil, es wirkte sogar befreiend. Schon längst hätte er es merken müssen, aber er war zu borniert gewesen, um die Zeichen richtig zu deuten. Ganz einfach - er liebte seine Frau.
Es gelang Taylor, ihren Zorn zu bezähmen, bis ihr dieser grobe Klotz, mit dem sie verheiratet war, ein Lächeln schenkte. Soeben hatte er ihr diese unverschämte Frage gestellt -und jetzt wagte er es, sie anzugrinsen? »Das will ich gern beantworten.« Ihre Stimme bebte vor Wut. »Du mußt es so lange mit mir aushalten, bis du meine Babys gefunden hast. Danach kannst du verschwinden.« Erbost sprang sie auf und stemmte die Hände in die Hüften.
Hunter beobachtete sie fasziniert. Welch ein schönes, temperamentvolles Geschöpf ... Wußte Lucas überhaupt, wie glücklich er sich schätzen durfte, weil er eine solche Frau bekommen hatte?
»Die Kinder müssen an erster Stelle stehen«, fuhr Taylor in etwas ruhigerem Ton fort. »Erst wenn sie in Sicherheit sind, dürfen wir an unsere eigenen Wünsche denken. Leider nehmen viel zu wenige Erwachsene Rücksicht auf Kinder.« Um ihren Standpunkt zu verdeutlichen, erzählte sie einen Zwischenfall aus ihrer Kindheit. »Als ich einmal den Jahrmarkt besuchte, den meine Großmutter regelmäßig auf ihren Ländereien veranstaltete, sah ich, wie eine Frau einen Jungen zu Boden schlug. Ein Wunder, daß er sich nicht den Hals brach! Mehrere Leute schauten zu, aber niemand stellte diese grausame Furie zur Rede. Der Junge war erst zwölf Jahre alt und konnte sich nicht wehren.«
»Aber du hast ihm geholfen, nicht wahr?«
»Allerdings. Die Frau arbeitete für meine Großmutter, und ich nahm ihr das Versprechen ab, den Jungen nie wieder zu mißhandeln, sonst würde sie ihre Stellung verlieren.«
»Wie alt warst du damals?«
»Zehn.«
»Etwas zu jung, um so energisch aufzutreten ...«
»Mein Alter spielt bei dieser Geschichte keine Rolle«, unterbrach sie ihn. »Die Frau erzählte mir, der Junge sei ihr entfernter Verwandter und man habe sie gezwungen, ihn aufzunehmen und zu ernähren. Aber sie liebte ihn nicht, und ich fürchtete, sie würde ihn auf andere Weise quälen, wenn
sie ihn auch nicht mehr schlug. Deshalb beschloß ich, ihn zu retten.«
»Und wie hast du das geschafft?«
»Ich brachte ihn zu mir nach Hause.«
Natürlich, dachte Lucas lächelnd. Etwas anderes hätte er ihr auch nicht zugetraut. Schon im zarten Alter von zehn Jahren war sie sehr willensstark gewesen. »Eines Tages würde ich ihn gern kennenIernen.«
»Du kennst ihn schon. Thomas hat unsere überstürzte Hochzeit vorbereitet und alle etwaigen Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt.«
»Also war er der Butler deiner Großmutter?« Lucas erinnerte sich an den jungen Mann.
»Ja. Diese Geschichte habe ich dir nur erzählt, um dir klarzumachen, daß es
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