Prinz Charming
beide! Stellt euch da drüben an die Wand und hebt die Hände, so daß ich sie sehen kann!«
Taylor drehte sich zu ihm um. »Was kostet dieser Colt? Ich habe Gefallen an ihm gefunden und würde ihn gern kaufen.«
»Den bekommen Sie umsonst. Wahrscheinlich haben Sie mich vor einem Raubmord bewahrt, Miss, und deshalb stehe ich in Ihrer Schuld. Wenn Sie mir Ihren Namen und Ihre Adresse nennen würden ... Jeder Colt muß registriert und mit einer Nummer versehen werden.«
»Ich heiße Taylor Ross und wohnte im Cincinnati Hamilton House. Vielen Dank für das Geschenk.« Lächelnd steckte sie die Waffe ein, während er die Schurken, die sich feige an die Wand drückten, mit seinem Gewehr bedrohte. Als sie zur Tür ging, bat sie: »Würden Sie die beiden noch eine Weile festhalten, Sir? Ich möchte nicht, daß sie mir folgen.«
»Machen Sie sich keine Sorgen, Miss. Sobald mein Partner kommt, schicke ich ihn zur Polizei.«
»Wunderbar«, erwiderte sie und öffnete die Tür. »Auf Wiedersehen.«
»Miss? Wo haben Sie so gut schießen gelernt?«
»In Schottland.«
Ehe sie die Tür hinter sich schloß, hörte sie seine Antwort. »Das darf doch wohl nicht wahr sein!«
Auf dem Rückweg zum Hotel entdeckte sie eine katholische Kirche, trat ein und zündete eine Kerze für ihre Großmutter an. Fast eine Stunde lang saß sie auf einer Bank, betete und hielt stumme Zwiesprache mit Lady Esther. Danach fühlte sie sich besser und zuversichtlicher, wußte aber nicht, ob das an ihrem Gebet lag oder am Colt, der in ihrer Tasche steckte.
Als sie im Hamilton House eintraf, war es Zeit fürs Abendessen. Obwohl sie keinen Appetit hatte, erkannte sie, daß sie sich stärken mußte. Und so setzte sie sich im Speisesaal, der für die weiblichen Gäste bestimmt war, an einen Ecktisch. Sie bestellte eine Suppe, zwei Brötchen sowie eine Kanne Tee. Den Vorschlag des Kellners, der sie zu einer nahrhafteren Mahlzeit überreden wollte, lehnte sie höflich ab.
Sie aß nur ein Brötchen, beschloß, das andere in ihr
Zimmer mitzunehmen, und rührte die Gemüsesuppe kaum an. Aber der Tee schmeckte wundervoll.
Nach diesem kargen Dinner zog sie sich in ihr Zimmer zurück und nahm ein Bad. Dann schlüpfte sie in ihr Nachthemd und schlief erschöpft auf dem Sofa ein, während sie auf Lucas wartete.
Am Morgen erwachte sie im Bett. Ihr Mann mußte sie in den Alkoven getragen haben. Offenbar hatte er sich umgezogen, denn sein Hemd vom Vortag hing über einem Stuhl. Die beiden Freunde fahndeten also immer noch nach den Babys. Warum dauerte es so lange? Taylor versuchte, nicht den Mut zu verlieren. Sie kleidete sich an, nahm am Schreibtisch Platz und stellte eine Liste von den Maßnahmen zusammen, die sie ergreifen konnte, um bei der Suche zu helfen.
Je mehr Leute nach den Kindern Ausschau hielten, desto schneller würde man die beiden finden. Taylor notierte, daß sie eine Suchanzeige in den Lokalzeitungen aufgeben wollte. Dann überlegte sie, ob sie einige Privatdetektive engagieren sollte. Wenn sie sich regelmäßig über die Ereignisse in Cincinnati informierten, hatten sie vielleicht schon von den Zwillingen gehört.
Sicher konnte ihr der Hotelmanager ein paar tüchtige Detektive empfehlen. Außerdem erwog sie, Flugblätter drucken zu lassen und an die Hausmauern zu kleben.
Langsam schleppte sich der Tag dahin. Abends wollte sie Lucas ihre Liste zeigen, und wenn er keine Einwände erhob, am nächsten Morgen die Suchanzeigen aufgeben. Vielleicht würde auch Hunter ein paar brauchbare Vorschläge machen.
Der Müßiggang zerrte an ihren Nerven. Rastlos wanderte sie im Hotelzimmer umher und wünschte, Victoria würde ihr Gesellschaft leisten. Sie brauchte so dringend jemanden, mit dem sie reden konnte. Hoffentlich würde die Freundin an diesem Tag mit dem Vier-Uhr-Zug ankommen. Nun war es halb vier. Taylor nahm ihren Mantel aus dem Schrank.
Diesmal würde sie sich nicht unbewaffnet zum Bahnhof wagen. Sie lud die Pistole, schob sie in die Tasche ihres Mantels und zog ihn gerade an, als die Tür aufschwang und Lucas eintrat, gefolgt von Hunter. Erfreut lächelte sie, bis sie die mutlosen Gesichter sah. »Ihr habt sie also nicht gefunden?«
Lucas schüttelte den Kopf, schloß die Tür und lehnte sich dagegen. »Noch nicht«, erwiderte er mit müder Stimme.
»Ruh dich erst mal aus. Bist du hungrig? Auf dem Tisch liegt ein Brötchen.« Sofort erkannte sie, wie unzulänglich dieses Angebot war, und fügte hinzu: »Aber ich bestelle dir lieber eine
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