Prinz Charming
»Eins ...«
Atemlos rannte Shirleen zu ein paar Kartons, die sich auf dem Fensterbrett stapelten, öffnete den obersten und nahm einen Schlüssel heraus. »Mir diesen Bälgern habe ich nichts zu tun. Ich arbeite nur hier, das ist alles. Was Billie und Cyrus treiben, geht mich nichts an.«
Lucas riß ihr den Schlüssel aus der Hand, bedeutete Hunter, sie im Auge zu behalten, und sperrte die Tür auf. Ehe er Taylor hineingehen ließ, wollte er sich vergewissern, daß niemand außer den Kindern im Schlafzimmer war.
Stockdunkle Finsternis erfüllte den Raum, und Lucas wartete ab, ob sich irgend etwas Verdächtiges regen würde. Als nichts dergleichen geschah, zündetet er eine Lampe an und entdeckte die Zwillinge am anderen Ende des Zimmers. Erleichterung stieg in ihm auf, aber auch Zorn.
Die beiden schliefen vor einem Schrank am Boden, fest aneinandergeklammert, und eines der kleinen Mädchen weinte im Traum. Das Gesicht des anderen sah er nicht, denn es hatte den Kopf unter das Kinn der Schwester geschoben. Alle zwei besaßen hellblondes Haar, das ihn an Taylor erinnerte.
Er winkte sie zu sich und blieb bei der Tür stehen, weil die Kinder ihre Tante zuerst sehen sollten. Womöglich würde er ihnen Angst einjagen. Er hörte, wie Shirleen seinen Freund fragte: »Das sind ihre Töchter, nicht wahr?«
Taylor eilte ins Schlafzimmer. Beim Anblick der Zwillinge preßte sie stöhnend eine Hand auf den Mund, dann kniete sie weinend neben ihnen nieder und senkte den Kopf, die Hände zusammengepreßt. Lucas glaubte, sie würde beten. Nach einer Weile rüttelte sie die beiden behutsam wach und flüsterte: »Jetzt fahren wir nach Hause.«
Eines der kleinen Mädchen rieb sich die Augen und starrte Taylor an, eher neugierig als ängstlich. Dann lächelte es, während sie seine Wange streichelte, steckte einen Daumen in den Mund und setzte sich auf. Sie zog es auf ihren Schoß, drückte es beruhigend an sich, dann berührte sie die Schulter der Zwillingsschwester, die schluchzend erwachte.
Bei Taylors Anblick versiegten die Tränen des Kindes. Es schien sie zu erkennen, was aber unmöglich war, denn bei der letzten Begegnung hatten ihre Nichten noch nicht einmal gehen können.
Sie setzte auch das andere kleine Mädchen auf ihren Schoß, wiegte beide beruhigend hin und her und versicherte immer wieder, jetzt sei alles gut, sie würde sie nach Hause bringen.
Ein Zwilling schlief ein, und der andere rückte ein wenig von Taylor ab, um sie zu betrachten. Dann berührte die Kleine ihr Haar. »Bist du meine Mama?«
»Ja.«
»Auch Allies Mama?«
»Ja.«
Das war alles, was Georganna wissen wollte. Sie schmiegte sich wieder an Taylors Brust, schloß die Augen und schob einen Daumen in den Mund.
Lucas ging neben seiner Frau in die Hocke und flüsterte: »Alles in Ordnung?«
»Ich glaube schon.« Die Babys trugen zerknitterte, schmutzige blaue Kleider. Offenbar waren sie nicht allzu gut betreut worden, aber offensichtlich unverletzt. »Gehen wir, Lucas.«
Er zögerte und schaute unter das Bett. Wo war der Junge, den Boyd erwähnt hatte? Bevor er aufstand, nahm er ein Kind in den Arm, und Taylor reichte ihm das andere, ehe sie sich ebenfalls erhob. Er trug die Mädchen ins Wohnzimmer, wo Hunter drei Finger hochhielt, und schüttelte den Kopf.
Dann berührte Taylor seinen Ellbogen. »Warte!« flüsterte sie und kehrte ins Schlafzimmer zurück. Irgend etwas stimmte da nicht.
»Was ist los?« fragte Lucas leise, um die Babys nicht zu wecken und folgte ihr.
Nachdenklich schaute sie sich um. »Warum haben sie am Boden vor dem Schrank geschlafen?« Sie lief zur Schranktür und versuchte vergeblich, sie zu öffnen.
»Hunter, schick die Frau herein!« bat Lucas
Wenige Sekunden später kam Shirleen ins Zimmer.
»Warum ist der Schrank versperrt?« fragte Taylor.
»Nur so. Da sind keine Kleider für Ihre Töchter drin. Die liegen alle in einer Kiste neben der Wohnungstür. Ich zeig sie Ihnen.«
»Schließen Sie den Schrank auf!« verlangte Taylor.
»Wozu denn? Ich hab’s Ihnen doch gesagt - da ist nichts drin, was Sie interessieren könnte.« Nervös biß sie sich auf die Lippen. »Die Borders dachten, Ihre Töchter wären Waisen. Und wahrscheinlich werden sie versuchen, die beiden zurückzuholen, obwohl Sie aufgetaucht sind. Immerhin haben sie schon eine Käuferin gefunden.«
»Sperren Sie den Schrank auf!« befahl Taylor.
»Keine Ahnung, wo der Schlüssel ist...« Shirleen zwang sich zu einem gleichmütigen Achselzucken und
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