Prinz Charming
Hunter? Er soll nicht barfuß auf die Straße gehen.«
Hunter nickte, aber als er nach dem Kind greifen wollte, wich es angstvoll zurück. Wieder redete Taylor besänftigend auf den kleinen Jungen ein. Die beiden Männer warteten geduldig, dann beobachteten sie verwundert, wie das Kind zu lächeln begann, und fragten sich verwundert, was sie ihm erzählt haben mochte.
Ehrfürchtig schaute der kleine Junge erst Lucas und dann Hunter an und wehrte sich nicht, als letzterer ihn hochhob.
Shirleen folgte ihnen zur Wohnungstür. Während Lucas die Küche durchquerte und am Sofa vorbeiging, sah er, wie Charlie sich stöhnend aufrichtete. Rasch umfing er beide Babys mit einem Arm, dann versetzte er dem Mann einen Kinnhaken, der ihm erneut die Besinnung raubte.
Ehe Taylor das Apartment verließ, wandte sie sich zu Shirleen. »Ich werde dafür sorgen, daß Sie den Rest Ihres Lebens im Gefängnis verbringen.«
»Aber ich habe nichts verbrochen ...«
»Sie wußten, was hier geschah«, fiel Taylor ihr ins Wort. »Sie hätten den Kindern helfen können. Doch das taten Sie nicht.«
Über die Hintertreppe stiegen sie hinunter. Taylor ging voran, eine Hand in der Manteltasche. Ihre Finger umschlossen den Griff des Colts. Unbehelligt erreichten sie die Straße. Die nächtliche Kälte weckte die Zwillinge. Neugierig starrten beide in Lucas’ Gesicht. Endlich erkannte er, warum Taylor ihn geheiratet hatte. Lady Esthers grandioser Plan ... Also deshalb hatte seine Frau gefragt, ob er Kinder mochte. »Verdammt will ich sein«, flüsterte er so leise, daß es nur die beiden kleinen Mädchen hörten. Georganna kicherte, und Alexandra lächelte ihn schüchtern an, den Daumen im Mund.
Taylor stieg zuerst in die Droschke, und Hunter setzte den kleinen Jungen neben ihr auf die Bank. Dann übergab Lucas ihr die Zwillinge. Sie nahm beide auf ihren Schoß und legte einen Arm um die Schultern des Jungen, damit er sich nicht ausgeschlossen fühlte. Zufrieden lehnte sie den Kopf an die Polsterung und seufzte.
Neben der Kutsche trugen die beiden Männer eine kleine Meinungsverschiedenheit aus. Hunter wollte in der Nähe des grauen Hauses warten, bis die Border-Brüder zurückkehrten. Aber es mißfiel Lucas, daß die Vergeltungsaktion ohne ihn stattfinden sollte. Vorher mußte er Taylor und die Kinder ins Hotel bringen. Deshalb forderte er seinen Freund auf, ihn zu begleiten. Danach würden sie gemeinsam hierher zurückkehren.
Schließlich beendete Taylor den Streit. »Die Kinder erfrie-
ren, wenn sie nicht bald in ein warmes Zimmer kommen. Also steigt endlich ein!«
Wenig später waren sie unterwegs. Helles Mondlicht schien in den Wagen, und alle konnten einander sehen. »Taylor?« flüsterte Lucas.
»Ja?«
Sein Blick streifte die Zwillinge. »Jetzt weiß ich, warum du meine Frau geworden bist.«
14
Oh, lebenslang sprecht wahr und lacht des Teufels!
William Shakespeare, König Heinrich der Vierte
Bald hatten die Zwillinge ihre Scheu überwunden. Die Nachtluft weckte ihre Lebensgeister. Auf der Fahrt zum Hotel schwatzten sie unentwegt und krabbelten über Lucas und Hunter hinweg. Da die beiden Männer nicht an die Gesellschaft so kleiner Kinder gewöhnt waren, fühlten sie sich etwas unbehaglich und wußten nicht recht, wie sie die Mädchen anfassen sollten. Um so selbstsicherer ergriffen Georganna und Alexandra die Initiative, und Taylor konnte sich dem Jungen widmen.
Sie fragte ihn nach seinem Namen, und er antwortete, er habe keinen, oder er könne sich nicht daran erinnern. Die meisten Leute würden ihn »Sneak« nennen. Das fand sie schrecklich, denn dieses Wort bedeutete »Schleicher«, doch sie verbarg ihr Entsetzten, weil sie ihn nicht in Verlegenheit bringen wollte. Dann zählte er noch andere Spitznamen auf, die man ihm im Lauf der Zeit gegeben hatte, und einer klang obszöner als der andere.
»Diese Wörter darfst du nie wieder in den Mund nehmen«, mahnte sie leise. »Vergiß einfach, daß du sie jemals gehört hast.«
»Und wie wollen Sie mich nennen?«
»Weißt du noch, wie deine Eltern dich genannt haben?« »Mama ist tot, und ich kann mir nicht einmal mehr ihr Gesicht vorstellen, so sehr ich mich auch bemühe. Und einen Vater hatte ich nie.«
Aufmerksam hörten die Männer zu. Hunter beugte sich vor und fragte den Jungen, was nach dem Tod seiner Mutter geschehen sei. »Erzähl mir alles. Du mußt keine Angst vor mir haben.«
Das Kind hob die Schultern. »Eine Zeitlang schlief ich in einer Kiste hinter Stoleys
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