Prinz Charming
er von Lucas und Hunter auf die Straße gezerrt wurde. In einer finsteren Gasse, zwei Häuserblocks entfernt, fesselten und knebelten sie ihn, dann ließen sie ihn hinter aufeinandergestapelten Holzkisten liegen. Auf diese Weise wollten sie ihn daran hindern, sich womöglich anders zu besinnen und die Borders zu alarmieren.
Nur mühsam konnte Lucas seinen Gefährten davon abbringen, den Bastard zu töten. »Wenn die Kinder inzwischen woandershin gebracht wurden, müssen wir Boyd nochmals befragen. Außerdem sind wir keine kaltblütigen Mörder.«
»Wären wir in Montana ...«
»Auch dort würde man so was als gemeinen Mord bezeichnen. Aber sobald die Aktion beendet ist, lassen wir in der ganzen Stadt verlauten, daß Boyd seine Freunde verpfiffen hat. Und dann werden sie ihm die Hölle heiß machen.«
Das heiterte Hunter ein wenig auf. Sie kehrten zur Hauptstraße zurück, und nach zwanzig Minuten fanden sie in einem heruntergekommenen Stadtviertel die Adresse, die Boyd angegeben hatte. An wackeligen Treppengeländern hing Wäsche, die meisten Fensterscheiben waren zerbrochen. Überall erklang der Lärm menschlichen Elends, Kinder weinten, Erwachsene schrien. Zwischen den grauen, halbverfallenen Gebäuden häufte sich der Müll. Ein fast unerträglicher Gestank erfüllte die Luft.
Als sie vor dem bezeichneten Haus stehenblieben, meinte Hunter: »Da drin sind sie, das spüre ich, Lucas.«
»Ich auch. Jetzt muß ich Taylor holen.«
»Warum?«
»Das habe ich ihr versprochen. Sicher sind die Kinder völlig verängstigt, und Taylor kann sie am besten beruhigen.«
»Gut, ich warte hier.« Hunter verschwand im Schatten einer Seitengasse, wo der den Vorder- und Hintereingang im Auge behalten konnte, falls die Borders beschließen würden, die Zwillinge wegzubringen.
In einer Straße, die drei Blocks entfernt lag, mietete Lucas eine Droschke. Vor dem Hotel angekommen, ließ er den Kutscher warten und eilte ins Zimmer hinauf, um Taylor zu holen. Ihren bangen Fragen kam er zuvor, indem er ihr befahl, ihren Mantel anzuziehen. Wortlos gehorchte sie und vergewisserte sich, daß ihr Colt in der Tasche steckte.
Während der Fahrt erzählte er ihr nur teilweise, was er herausgefunden hatte. Boyd erwähnte er nicht. Nervös schlang sie die Finger ineinander. »Die Zwillinge haben einen älteren Bruder?«
»Das wurde zumindest behauptet.«
»Dann können es nicht die Töchter meiner Schwester sein.«
»Willst du umkehren?«
»Natürlich nicht! So oder so, wir müssen die Kinder aus den Klauen dieser Monstren befreien, und dann suchen wir wieder nach meinen Babys.«
Erfreut über ihren Entschluß, nickte er. »Wenn wir in das Haus gehen, bleib immer zwischen Hunter und mir.«
»Ja.«
»Und du tust nur das, was ich sage, ohne Widerworte.«
»Das verspreche ich dir.«
Um sie von ihrer Angst abzulenken, bemerkte er: »Bald kannst du mit den Zwillingen zu Georges Verwandten fahren. Stell dir dieses wunderbare Wiedersehen vor!«
Zu seiner Überraschung schüttelte sie stumm den Kopf und starrte aus dem Fenster. Als der Gestank von gekochtem Kohl und menschlichen Ausdünstungen in ihre Nase stieg, wurde ihr fast übel.
»Hast du Georges Familie nie kennengelernt?« fragte Lucas.
»Er war verwaist und hatte keine Verwandten. Schau, da ist Hunter! Er winkt uns!«
Noch ehe der Wagen hielt, stieß Taylor die Tür auf und sprang hinaus. Lucas bezahlte den Fahrer und versprach ihm ein großzügiges Trinkgeld. »Das bekommen Sie, wenn Sie hier auf uns warten.«
Die Lockung des Geldes besiegte die Angst des Mannes vor den Gefahren, die in dieser Gegend lauerten. Er zog ein Gewehr unter dem Kutschbock hervor, legte es über seine Knie und erklärte, in dreißig Minuten würde er wegfahren.
Lucas nahm Taylors Hand, die andere schob sie in die Manteltasche, wo ihr Colt steckte. Schweigend stiegen sie die wackelige Holztreppe zum Eingang des grauen Mietshauses hinauf.
Zuerst betrat Lucas den Flur, dann Taylor, gefolgt von Hunter. Das Apartment, das sie suchten, lag im zweiten Stock, an der Rückfront des Hauses. Unter ihren Füßen knarrten die Bodenbretter, aber weil in allen Wohnungen fast ohrenbetäubender Lärm herrschte, näherten sie sich unbemerkt ihrem Ziel. Lucas bedeutete seiner Frau, beiseite zu treten, denn falls es zu einer Schießerei kam, sollte sie nicht von einem Querschläger getroffen werden. Ebenso wie Hunter zückte er seine Pistole, dann stemmte er seine Schulter gegen die Tür, und stürmte hinein. Sein
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