Prinz der Nacht
er Astrid nicht interessieren. Zu der wirklichen Astrid gehörte er nicht.
»Dann waren diese Leute blind, wenn sie nicht erkannt haben, wie du bist, Zarek. Nicht dich muss man verachten, sondern die anderen.«
Heilige Götter, wie gern würde er ihr glauben. »Warum bist du so nett zu mir?«
»Das habe ich dir schon erklärt, Zarek. Weil ich dich mag.«
»Warum? Bisher mochte mich niemand.«
»Nein, das stimmt nicht. Die ganze Zeit hattest du Freunde. Aber du hast ihnen nie erlaubt, dir zu helfen.«
»Acheron«, flüsterte er. »Jess.« Bei der Erinnerung an Sundown kräuselte er die Lippen.
»Du musst endlich lernen, anderen Leuten die Hand zu reichen.«
»Wozu? Damit sie mich in den Rücken schießen können?«
»Nein, damit sie dich lieben.«
»Liebe?« Lachend schüttelte er den Kopf. »Wer zum Teufel braucht so was? Mein ganzes Leben bin ich ohne die Liebe ausgekommen. Davon will ich nichts wissen.«
Hoch aufgerichtet stand sie vor ihm. Unnachgiebig. »Okay, du kannst dich selbst belügen. Aber ich kenne die Wahrheit.« Sie streckte ihre Hand aus. »Bitte, Zarek, du musst lernen, jemandem zu vertrauen. Ein Leben lang warst du tapfer. Zeig mir diesen Mut, nimm meine Hand, vertrau mir, und ich schwöre dir, ich werde dich nie hintergehen.«
Unentschlossen schwieg er. Seine Kehle schnürte sich zu. Noch nie hatte er eine so schreckliche Angst empfunden.
Nicht einmal am Tag seiner Hinrichtung.
»Bitte, vertrau mir. Niemals werde ich dir wehtun.«
Er starrte Astrids Hand an. Schmal und anmutig. Zierlich, eine winzige Hand. Die Hand einer Liebenden. Er wollte davonlaufen - doch stattdessen schlang er seine Finger in ihre.
9
Über Astrids Wangen rannen Tränen, als sie die warme Kraft seiner Hand spürte.
Diese Hände hatten Menschen getötet, aber auch beschützt - und sie so zärtlich liebkost. Endlich war sie an Zarek herangekommen. In dieser Nacht hatte sie ein für unerreichbar gehaltenes Ziel erreicht.
Aber dann riss er sich los, seine Miene verdüsterte sich. »Ich will nicht geändert werden. Nicht von dir, von niemandem.« Erbost stürmte er zur Tür hinaus, und Astrid tat etwas, das sie sich noch nie erlaubt hatte - sie fluchte.
Verdammt, warum war er so dumm? Warum blieb er nicht bei ihr?
»Das sagte ich doch, der ist knallhart.«
Erstaunt drehte sie sich zu M' Adoc um, der hinter ihr stand, durch die Tür hinausstarrte und Zarek mit nacktem Oberkörper durch den Schnee stapfen sah.
»Wie lange hast du gelauscht?«, fragte sie den Oneroi.
»Nicht lange. Beruhige dich, ich weiß, in welche Träume ich nicht eindringen darf.«
Astrids Augen verengten sich. »Das würde ich dir auch raten.«
Ohne die angedeutete Drohung zu beachten, schaute er Zarek nach. »Was wirst du jetzt tun?«
»Ich schlage ihn mit einem Stock, bis er Vernunft annimmt.«
»Da wärst du nicht die Erste, die das versucht«, bemerkte M' Adoc trocken. »Dagegen ist er immun.«
Seufzend nickte sie. »Keine Ahnung, was ich tun soll«, gestand sie. »Wenn ' s um Zarek geht, fühle ich mich völlig hilflos.«
In M ' Adocs hellen Augen schimmerte die ganze Weisheit seines Alters. »Weder ihn noch dich selbst hättest du die ganze Nacht hier festhalten dürfen. Es ist gefährlich, so lange in Drogenträumen zu bleiben.«
»Das weiß ich. Aber was hätte ich sonst machen sollen? Er war fest entschlossen, meine Hütte zu verlassen. Das musste ich verhindern.« Flehend schaute sie den Dream Hunter an. »Nun brauche ich deine Hilfe, M ' Adoc. Ich würde gern mit Acheron reden ! Er ist der Einzige, der mir alles über Zarek erzählen könnte.«
»Auch Zarek könnte es.«
»Leider wird er ' s nicht tun.«
Der Oneroi begegnete ihrem Blick. »Also gibst du auf?«
»Niemals.«
Wie ihr sein Lächeln verriet, zapfte er ihre Gefühle an. »Das dachte ich mir. Freut mich, dass du nicht verzagst.«
»Wie erreiche ich ihn? Was das betrifft, bin ich für alle Ideen und Vorschläge offen.«
In seiner Hand erschien ein dunkelblaues kleines Buch, das er ihr übergab. Astrid erkannte eine Ausgabe des
»Kleinen Prinzen«.
»Zareks Lieblingsbuch«, erläuterte er.
Nun verstand sie, warum er so viele Zitate kannte.
M' Adoc trat zurück. »In diesem Roman geht es um gebrochene Herzen und das Überleben, um Magie, Hoffnung und Verheißung. Seltsam, dass es ihm gefällt, nicht wahr?« Dann verschwand er aus dem Traum.
Astrid blätterte in dem Buch und fand mehrere Stellen, die er angekreuzt hatte. Lächelnd schloss sie die Tür
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