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Prinz der Nacht

Prinz der Nacht

Titel: Prinz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prinz der Nacht
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und ging zu der komfortablen Chaiselongue, die plötzlich in ihrem Wohnzimmer aufgetaucht war. Alle Schlafgötter liebten es, in Rätseln und Metaphern zu sprechen. Nur selten sagten die geradeheraus, was sie meinten. Stattdessen zwangen sie die Leute, nach Lösungen für ihre Probleme zu suchen.
    In diesem Buch hatte M' Adoc, der Anführer der Oneroi, gewisse Hinweise hinterlassen. Hoffentlich erfuhr sie bei der Lektüre, wie sie Zarek retten konnte.
    Jess floh in den kleinen Laden und schüttelte sich wie ein nasser Hund nach einem Regenguss. Da draußen war es verdammt kalt - unerträglich.

    Wie war Zarek in Alaska am Leben geblieben, als es noch keine Zentralheizung gab? Eins gestand er seinem Freund zu - ein Mann musste ziemlich hart und gefährlich sein, um in dieser unwirtlichen Gegend ohne hilfreiche Knappen zurechtzukommen. Er selbst würde sich lieber mit einem Pistolenknauf verprügeln oder in eine Grube voller Klapperschlangen werfen lassen.
    Hinter der Theke stand ein älterer Gentleman, der ihm ein wissendes Lächeln schenkte. Offenbar verstand er, warum Jess geflucht hatte. Der Mann hatte dichtes graues Haar und einen Salz-und-Pfeffer-Bart. Aus seinem alten grünen Pullover hingen mehrere Fäden. Aber er sah angenehm warm aus. »Kann ich Ihnen helfen?«
    Jess zog den Schal von seinem Gesicht weg. Freundlich nickte er dem Mann zu. Nach den Regeln der Höflichkeit müsste er in einem geschlossen Raum seinen schwarzen Stetson abnehmen. Aber verdammt wollte er sein, wenn er das tat und auch nur einen winzigen Teil seiner Körperwärme entweichen ließ. Die brauchte er nämlich dringend. »Howdie, Sir ... «, grüßte er gedehnt. »Ich hätte gern einen starken Kaffee. Oder sonst was, das heiß ist. Wirklich heiß.«
    Lachend zeigte der Mann auf eine Kaffeekanne. »Wie ich annehme, sind Sie nicht aus dieser Gegend.«
    Jess ging zu der Kanne. »Nein, Sir, dem Himmel sei Dank.«
    Da lachte der alte Mann wieder. »Wenn Sie eine Zeit lang hierbleiben, wird Ihr Blut so dick, dass Sie die Kälte gar nicht mehr spüren.«
    Daran zweifelte Jess. Um diese frostigen Temperaturen nicht mehr zu spüren, müsste sein Blut versteinern.
    Jedenfalls wollte er seinen Arsch schleunigst nach Reno zurückbefördern, bevor er zum ersten Mann in der langen Dark Hunter-Geschichte avancierte, der erfror. Er füllte einen extragroßen Pappbecher mit Kaffee und setzte sich an die Theke. Dann wühlte er in seiner Kleidung, die aus mehreren Schichten bestand - ein Mantel, ein wollenes Hemd, zwei Pullover, eine lange Unterhose -, und holte seine Brieftasche hervor. Sein Blick fiel auf einen kleinen Glaskasten. Darin stand die geschnitzte Figur eines Cowboys auf einem wilden Pferd, das sich aufbäumte. Mit gerunzelter Stirn erkannte Jess das Pferd und dann den Mann.
    Das war er.
    Im letzten Sommer hatte er Zarek ein Foto gemailt, das ihn zeigte, wie er einen temperamentvollen Hengst zuritt.
    Verdammt wollte er sein, wenn diese Figur nicht die exakte Kopie dieser Aufnahme war.
    »Ah, Sie bewundern gerade meine kleine Schnitzerei«, meinte der alte Gentleman.
    »0 ja, Sir. Wo haben Sie die gefunden?«
    Der Mann schaute zwischen Jess und der kleinen Statue hin und her, als wollte er die Ähnlichkeit prüfen. »Auf der Weihnachtsauktion im letzten November.«
    Erstaunt hob Jess die Brauen. »Weihnachtsauktion?«
    »Jedes Jahr treibt der Polar Bear Club Geld für die Armen und Kranken auf. Schon seit etwa zwanzig Jahren veranstalten wir solche Versteigerungen. Santa bringt uns jedes Mal riesige Säcke voll geschnitzter Figuren, die wir verkaufen. Wahrscheinlich ist er ein Künstler oder so was, der nicht verraten will, wo er wohnt. Jeden Monat wird eine große Summe anonym auf unser Konto bei der Postbank überwiesen. Sicher stammt die auch von diesem Typen.«
    »Santa? So wie Santa Claus?«
    Der Mann nickte. »Klar, ein blöder Name. Aber wir wissen nicht, wie wir ihn sonst nennen sollen. Das ist einfach nur ein netter Kerl, der sich im Winter hier herumtreibt und gute Taten vollbringt. Ein oder zwei Mal sahen die Polizisten, wie er die Säcke in unser Center trug. Aber sie ließen ihn in Ruhe. Vor den Häusern der alten Leute schaufelte er den Schnee von den Zufahrten. Und er macht ständig diese kunstvollen Eisskulpturen, die Sie vielleicht in der Stadt gesehen haben.«
    Entgeistert ließ Jess seine Kinnlade nach unten klappen, dann presste er blitzschnell die Lippen zusammen, bevor der Gentleman seine Fänge entdeckte. Ja, diese

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