Prinz für die Köchin
trocken, »dir ist schon klar, dass ich jedes Wort hören kann, das du sagst? Ich meine, das hier passiert nicht alles nur in deinem Kopf.«
Elsa warf ihrer Tochter mit verwirrt gerunzelter Stirn einen raschen Blick zu, dann wandte sie sich abermals an Paul. »Imogen verbringt gerade ein bisschen Zeit in Frankreich, also, eigentlich um zu entscheiden, was sie als Nächstes tun soll, und sie hat all diese fantastischen Leute kennengelernt. Ach, und …« Sie schnippte mit den Fingern. »Hilf mir schnell, Liebling … Wie geht es Wie-heißt-sie-gleich-noch?«
»Dis Schwester Daphne«, antwortete Imogen ruhig.
»Ach ja. Es ist ja so reizend von ihr, dass sie sich um dich kümmert.« Elsas Blick blieb einen Augenblick lang an ihrer Tochter haften. Dann stellte sie verblüfft fest: »Du siehst entzückend aus, Liebling.«
»Danke«, erwiderte Imogen. »Du siehst toll aus, Mum – wie immer.«
»Paul ist ein Freund aus dem Aktzeichnen-Kurs«, verkündete Elsa strahlend.
»Ich wusste gar nicht, dass du wieder damit angefangen hast.«
»Ach, weißt du, Liebling, völlige Abstraktion kann einem eben nur begrenzt etwas geben. Nach einer Weile kommt einem das alles allmählich leer und … kalt vor.«
Imogen dachte an die riesigen Leinwände aus der ausgedehnten Weißen Periode ihrer Mutter und nickte verständnisvoll.
»Ich hatte das Gefühl, ich müsste mich wieder mehr …« Sie hielt inne, um Paul anzulächeln und die Hand in die seine zu schieben. »… an Fleisch und Blut annähern.«
Also, dem habe ich mich auch angenähert, dachte Imogen und lächelte ein wenig.
»Oh, wissen Sie, wo wir gerade von Fleisch sprechen«, mischte Bunny sich mit so sonnigem Enthusiasmus ein, dass Elsa automatisch in ihren Bannkreis gezogen wurde, »ich würde mich wirklich zu gern einmal mit Ihnen über meine Arbeiten unterhalten.«
»Meine Cousine macht Kunstwerke. Aus Geflügel«, erläuterte Amaury wohlwollend.
»Tatsächlich?«, fragte Elsa neugierig.
»Ja, ich balsamiere die Tiere ein, und dann verkleide ich sie.«
»Tuntenfummel für Hühner«, warf Mitch ein.
»Und übrigens, Ihr Mantel ist hinreißend«, bemerkte Bunny und befingerte Elsas Ärmel. »Absolut hinreißend. Sagen Sie, arbeiten Sie auch, während Sie hier sind?«
»Ich habe Meeresbilder gemalt«, antwortete Elsa und lächelte die junge Amerikanerin an. »Aber wir sind nur noch ein paar Tage hier – das hier ist ein kurzes Abenteuer.«
Während sie zusah, wie Amaury ihrer Mutter ein Glas Champagner reichte, entspannte Imogen sich allmählich ein wenig. Das heißt, bis der arme Gene, dem ihre besondere Situation noch immer unbekannt war, unschuldig bemerkte: »Sie sind bestimmt ungeheuer stolz auf Ihre Tochter – so eine wundervolle junge Frau. Und eine wunderbare Köchin.«
Imogen seufzte und schaute zur Decke hoch, die, wie sie jetzt erst bemerkte, mit einem komplizierten geometrischen Fries aus den 30er-Jahren bemalt war. Gefährlich spitze Dreiecke, die Ähnlichkeit mit Reihen scharfer Zähne hatten.
»Eine was?«, fragte Elsa eisig. »Eine wunderbare was?«
»Köchin!«, wiederholte Gene strahlend. »Erst heute Morgen hat sie uns ein tolles englisches Frühstück gemacht – typisch britisch, nicht wahr, Mitch?«
»Ja, war echt lecker.«
»Mir hat es hervorragend geschmeckt«, fuhr Gene mit jener Sorte kindlicher Begeisterung fort, die Imogen unter sämtlichen anderen Umständen herzerwärmend gefunden hätte. »Das hätte wirklich dem allerbesten … wie hieß das damals noch … Greasy Spoon im alten London Ehre gemacht!«, beendete er den Satz triumphierend und schlang den Arm um Imogens Schultern.
Aaaarrrrgh!, dachte Imogen und schloss die Augen, während um sie herum die bislang festen Mauern des Hôtel de la Plage in tödlicher Horrorfilm-Stille zu einer Masse Staub und Krach zusammenstürzten. Das Wort Greasy Spoon ließ an ein schmuddeliges kleines Billiglokal denken – Volltreffer sozusagen! Elsa würde daran ganz bestimmt Anstoß nehmen, obgleich natürlich immer noch die schwache Hoffnung bestand, dass ihrer Mutter ganz einfach niemals etwas Derartiges begegnet war.
»Imogen? Liebling? Englisches Frühstück? Greasy Spoon? Wovon zum Teufel redet dieser Mann?«
»Nicht unterkriegen lassen, Babe«, zischte Mitch Imogen ins Ohr wie eine grantige übergroße Version von Jiminy Grille. »Du bist doch ein großes Mädchen.«
»Liebling! Will er etwa andeuten, dass du … Köchin bist? Nun?«
Imogen stand schwankend da; ihr wurde
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