Prinz für die Köchin
läuft die denn so?«
Imogen schaute geradeaus und sah ihn nicht an. Seit jenem Mittagessen in Saint-Paul-de-Vence hatte sie Everett ein paarmal getroffen, und er war immer genauso freundlich gewesen wie sonst auch. Mehr aber auch nicht, daher glaubte sie eigentlich nicht mehr, dass er ihr geheimnisvoller Verehrer sein könnte, trotz Bunnys häufigen Frotzeleien. Und jetzt würde er abreisen.
»Es ist ganz schön schwierig«, sagte sie schließlich. Zu ihrer Überraschung wurde ihr die Kehle ein klein wenig eng. »Verstehst du, eine Weile hat es mir wirklich Spaß gemacht, nicht Bescheid zu wissen. Es war lustig. Aber jetzt … ich glaube, ich kann wirklich nicht …« Sie zwang sich innezuhalten und ein paarmal durchzuatmen, bis sich ihre Kehle etwas lockerte und die drohenden Tränen versiegten. »Ich kann nicht mehr lange so weitermachen.«
Everett nickte. »Du willst bestimmt unbedingt wissen, wer er ist.«
»Stimmt«, erwiderte sie und sah ihn offen an. »Plötzlich will ich es unbedingt wissen.« Sie lachte ein wenig über ihren melodramatischen Tonfall. »Ich glaube nämlich, ich liebe ihn«, platzte sie dann heraus.
»Du liebst ihn also, wie?« Everett streckte die Hand aus und drückte ihren Arm. »Ihm geht’s bestimmt genauso. Und er will dich bestimmt auch unbedingt bei sich haben. Also lass den Kopf nicht hängen.«
Imogen lachte. »Ich weiß, ich stelle mich total dämlich an. Es ist nur … meine Mutter ist hier aufgetaucht, und sie ist stinkwütend wegen der Sache mit dem Kochen.«
»Weißt du, Bunny hat mich gebeten, unseren Eltern das mit ihrer Künstlerkarriere beizubringen, wenn ich nach Hause komme. Ich habe immer auf sie aufgepasst, also habe ich natürlich Ja gesagt, aber das ist ein Gespräch, auf das ich mich nicht gerade besonders freue. Ich glaube, ihr ist nicht klar, was es heißen würde, plötzlich kein Geld mehr zu haben, und dazu könnte es durchaus kommen.«
»Au weia«, sagte Imogen und dachte im Stillen, dass sie zumindest solche Sorgen nicht hatte. »Manchmal ist einfach ein sauberer Schnitt notwendig«, fuhr sie fort. Dabei dachte sie an Bunny, aber auch an sich selbst. »Wenn ich ehrlich sein soll, gibt es Momente, da kann ich mir nicht vorstellen, jemals wieder nach Hause zurückzufahren.«
Schweigend sah er sie an, dann sagte er langsam: »Und auf Dauer hierbleiben? Das ist ein Riesenschritt.«
»Manche Leute machen so was doch, oder? Mitch und Gene, und Daphne.«
»Stimmt. Und, weißt du, da ist auch noch …« Jäh hielt er inne und schien sich bezüglich dessen, was er hatte sagen wollen, eines Besseren zu entsinnen. Er lächelte sie an. »Entschuldige mich mal einen Moment, ja? Ich muss nur ganz kurz jemanden anrufen, bevor ich es vergesse.«
»Klar«, antwortete Imogen milde und dachte bei sich, dass Bunnys Bruder ihr kompliziertes Privatleben bestimmt allmählich langweilig fand – eine verständliche Reaktion. Allein im Wohnzimmer schaute sie sich um und dachte daran, wie sie am Tag von Bunnys Party hier hereingekommen war und die Sofas voller beängstigend selbstbewusster Hochglanzamerikaner vorgefunden hatte, die ihr nicht ganz wie richtige Menschen erschienen waren. Everett war natürlich auch darunter gewesen, genauso erschreckend wie der Rest, obwohl sie sich jetzt, wo sie ihn besser kannte, in seiner Gegenwart vollkommen wohlfühlte. Wie sich die Dinge doch geändert hatten.
Ihr Blick fiel auf ein zerlesenes Taschenbuch, das auf dem Couchtisch lag, und aus reiner Neugier nahm sie es zur Hand. Es war ein Reiseführer für Rom, eines der Ziele der Doucet-Brüder während ihres Europa-Urlaubes.
Imogen blätterte ein paar Seiten um, betrachtete flüchtig Fotos von Kirchen und Statuen und dachte vage, dass sie auch sehr gern irgendwann einmal nach Italien reisen würde. Es gab da ein paar regionale Spezialitäten, die sie gern einmal probieren würde – Spaghetti mit Tintenfischtinte in Venedig zum Beispiel oder dieses Gericht aus gekochten Zitronen, das man in Capri aß, und das sich so lecker anhörte …
Müßig blätterte sie das Buch durch, als etwas vor ihren Augen aufblitzte und sie abrupt hochfahren ließ. Sie schüttelte den Kopf. Nein. Das konnte nicht sein. Wahrscheinlich war es eine Art optische Täuschung oder eine flüchtige Ähnlichkeit. Monty, der ihre Erregung bemerkte, kläffte auf. Sehr langsam begann Imogen, wieder in dem Reiseführer zu blättern, diesmal in die andere Richtung. Dann packte sie das Buch ungeduldig am Rücken und
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